Istanbul. Der türkische Präsident Gül hat Hoffnungen der Opposition auf ein Veto gegen das umstrittene Internetgesetz enttäuscht. Er gab grünes Licht für das Gesetz, welches der Regierung mehr Kontrolle über das Internet verschafft. Es soll jedoch nachgebessert werden. Regierungskritiker fürchten Zensur.

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat mit seiner Zustimmung zu einer schärferen Kontrolle des Internets deutliche Kritik geerntet. Nachdem Gül eine vom Parlament beschlossene Gesetzesänderung billigte, kündigten mindestens 90.000 seiner Twitter-Follower ihm demonstrativ die Gefolgschaft, berichtete die türkische Tageszeitung "Hürriyet" am Mittwoch. Aus Brüssel und Berlin wurden Warnungen vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit laut. Gül erklärte, das Gesetz solle in kritischen Punkten entschärft werden.

Vor knapp zwei Wochen hatte das Parlament eine Gesetzesänderung beschlossen, die der islamisch-konservativen AKP-Regierung mehr Kontrolle über das Internet verschafft. Behörden dürfen demnach den Zugang zu Internetseiten auch ohne richterlichen Beschluss sperren. Internetanbieter werden verpflichtet, Nutzer-Daten bis zu zwei Jahre zu speichern. Gül meldete Bedenken an.

Regierungspartei sagt Änderungen zu

Die Regierungspartei sagte darauf Änderungen zu. So soll die Aufsichtsbehörde nach der Sperre einer Seite binnen 24 Stunden ein Gericht einschalten und den Zugang dann wieder freigeben müssen, wenn es keine richterliche Zustimmung gibt. Zudem soll die Aufzeichnung von Nutzerdaten auf die IP-Adresse beschränkt werden, ohne dass Links der aufgerufenen Seiten gespeichert werden, berichteten türkische Medien.

"Das Gesetz, das den türkischen Behörden die Abschaltung von sozialen Medien und regierungskritischen Seiten im Internet ermöglicht, bleibt inakzeptabel - auch wenn Präsident Gül Nachbesserungen angekündigt hat", erklärte der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Stübgen. Wer die Meinungsfreiheit derart missachte, könne nicht Mitglied der EU werden.

"Präsident Gül hätte von seinem Vetorecht Gebrauch machen sollen. Stattdessen hat er jetzt das Gesetz unterschrieben und damit die Meinungsfreiheit in der Türkei ein weiteres Stück erstickt", teilte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, Berichterstatter der europäischen Liberalen für die Türkei, mit. (dpa)