Istanbul. . Bei den Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei in der türkischen Metropole Istanbul sind nach einem Medienbericht mehrere Demonstranten verletzt worden. Tausende Menschen hatten zuvor gegen die vom Parlament beschlossene Verschärfung der Internet-Gesetze demonstriert.

Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Nach den Massenprotesten gegen den islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan vom vergangenen Sommer und den schweren Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung sorgt jetzt das neue Internet-Zensurgesetz für Kontroversen. In Istanbul ging die Polizei am Samstagabend mit Wasserwerfern, Tränengasgranaten und Plastikgeschossen gegen Tausende Demonstranten vor, die gegen das vergangene Woche verabschiedete Gesetz protestieren wollten.

Nach den neuen Bestimmungen können die Telekom-Regulierungsbehörde und der Verkehrsminister nach eigenem Gutdünken und ohne richterlichen Beschluss Internetseiten sperren. Internetprovider werden verpflichtet, alle Verbindungsdaten ihrer Kunden zwei Jahre lang zu speichern und den Behörden zur Verfügung zu stellen. Damit kann die Regierung das Surfverhalten ihrer Bürger lückenlos überwachen. Oppositionsgruppen hatten unter dem Motto „Stoppt die Zensur“ zu dem Protest aufgerufen. Die Demonstranten setzten sich gegen die Polizei mit Steinwürfen und Feuerwerkskörpern zur Wehr. Nach Medienberichten wurden bei dem Polizeieinsatz sechs Demonstranten so schwer verletzt, dass sie in Krankenhäuser gebracht werden mussten. Augenzeugen berichteten, Dutzende Demonstranten sein festgenommen worden.

Premier Erdogan weist Kritik an Gesetz zurück

Das Gesetz war auch im Ausland auf scharfe Kritik gestoßen. Die EU-Kommission forderte eine Überarbeitung unter Berücksichtigung der europäischen Standards. Die USA erklärten, das Gesetz sei „unvereinbar mit der Meinungsfreiheit“.

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Bevor die neuen Bestimmungen in Kraft treten können, muss Staatspräsident Abdullah Gül das Gesetz unterzeichnen. Dazu hat er noch zehn Tage Zeit. Kemal Kilicdaroglu, der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), forderte den Präsidenten auf, seine Unterschrift zu verweigern und Veto gegen das Gesetz einzulegen.

Regierungskritiker vermuten, dass Erdogan mit der verschärften Internet-Kontrolle vor allem den Korruptionsvorwürfen die Spitze nehmen möchte. Wegen der Affäre mussten bereits vier Minister zurücktreten, zwei Ministersöhne sitzen in Untersuchungshaft. Auch gegen einen Sohn Erdogans wurde ermittelt, bis der zuständige Staatsanwalt eilig abberufen wurde. Die Korruptionsenthüllungen werden vor allem über das Internet verbreitet.

Premier Erdogan wies die Kritik an dem neuen Gesetz zurück. „Diese Regelungen bedeuten nicht Zensur des Internets“, sagte Erdogan am Samstag vor Tausenden Anhängern in Istanbul, „im Gegenteil, sie werden das Internet sicherer und freier machen.“