Ankara. Etwa 20.000 Menschen haben am Samstag in der türkischen Hauptstadt Ankara gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan protestiert. Die Regierung steht wegen Korruptionsvorwürfen und einer geplanten Justizreform unter Druck. Im Parlament kam es unter den Abgeordneten zu Tumulten.

In der türkischen Hauptstadt Ankara sind am Samstag rund 20.000 Demonstranten gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf die Straße gegangen. Einige von ihnen hielten fingierte Dollar-Scheine mit einem Foto des Regierungschefs in die Höhe. Im Streit über eine umstrittene Justizreform, die zu Tumulten im Parlament führte, deutete Justizminister Bekir Bozdag unterdessen ein mögliches Einlenken der Regierung an.

Die Demonstranten auf dem Sihhije-Platz in Ankara beschimpften Mitglieder von Erdogans AKP als "Diebe". "Die Revolution wird uns von diesem Schmutz befreien", skandierten andere.

Erdogans Regierung sieht sich derzeit mit einem riesigen Korruptionsskandal konfrontiert. Istanbuler Staatsanwälte hatten am 17. Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne von zwei Ministern. Bei dem Skandal geht es unter anderem um bestochene Politiker, verheimlichte illegale Goldgeschäfte der staatlichen Halkbank mit dem Iran und um rechtswidrige Bauvorhaben.

Handgreiflichkeiten im Parlament

Im Zuge der Affäre wurden hunderte Polizisten strafversetzt und fast das halbe Kabinett ausgetauscht. Auch gegen die Justiz erhob Erdogan schwere Vorwürfe.

Beratungen über eine von Erdogan angestrebte Justizreform, durch die die Regierung mehr Macht bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten erhalten würde, führten am Samstag zu Tumulten im Parlament. Wie türkische Medien berichteten, kam es bei einer Sitzung des Justizausschusses zu einer Prügelei. Außerdem seien Gegenstände wie Wasserflaschen und ein iPad durch die Luft geflogen. Wie der Fernsehsender NTV berichtete, hatten Abgeordnete der Oppositionspartei CHP das Vorhaben zuvor als "verfassungswidrig" kritisiert und eine Zurücknahme der Pläne verlangt.

Der umstrittene Gesetzesentwurf von Erdogans islamisch-konservativer Regierung sieht vor, das nominell unabhängige Justizkontrollgremium Hoher Richterrat zu reformieren. Demnach soll dem Justizministerium unter anderem das letzte Wort bei der Besetzung juristischer Schlüsselfunktionen gegeben und dem Rat das Recht entzogen werden, Regierungsdekrete zu genehmigen.

Erdogan sieht Verschwörung gegen seine Partei

Am Samstag deutete Justizminister Bozdag jedoch ein mögliches Einlenken der Regierung an. Sollten die Fraktionen im Parlament einen Konsens erzielen, "könnte der Vorschlag zurückgezogen werden", sagte er dem Sehnder NTV.

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Der Hohe Richterrat hatte die Reformpläne zuvor als "verfassungswidrig" zurückgewiesen. Auch die US-Regierung und der Europarat in Straßburg warnten vor einer Beschneidung des Rechtsstaats.

Erdogan betrachtet die Ermittlungen im Zuge der Korruptionsaffäre als Verschwörung regierungsfeindlicher Kräfte mit dem Ziel, der AKP vor den Kommunalwahlen Ende März zu schaden. Derzeit kommt die Regierungspartei laut einer Umfrage auf 42,3 Prozent. Das sind rund acht Prozentpunkte weniger als bei der Parlamentswahl im Jahr 2011. Bis zum Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe im Dezember hatte sich die AKP in den Umfragen bei durchschnittlich 50 Prozent halten können. (afp/dpa)