Brüssel. Die EU-Kommission hat sich “beunruhigt“ über die Entwicklungen in der anhaltenden Korruptionsaffäre in der Türkei geäußert. Die Versetzung vieler Polizisten drohe, die laufenden Ermittlungen zu schwächen und die Unabhängigkeit von Justiz und Polizei zu beeinträchtigen, sagte ein Sprecher in Brüssel. Im Zuge der Korruptions-Affäre hat die türkische Regierung unterdessen Polizeichefs von 16 weiteren Provinzen versetzt.

Die Europäische Union habt sich besorgt geäußert über die Zwangsversetzung von Polizisten in der um einen EU-Beitritt bemühten Türkei. Ein Sprecher des EU-Erweiterungskommissars Stefan Füle mahnte am Mittwoch in Brüssel die Regierung in Ankara erneut, "alle Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Behauptungen über Fehlverhalten ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden".

Nach politisch unerwünschten Korruptionsermittlungen hat der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Wochen etwa 1000 Polizisten zwangsversetzt.

"Diese Maßnahmen könnten die laufenden Ermittlungen sowie die Fähigkeit der Justiz und der Polizei zu unabhängigen Ermittlungen untergraben", sagte der EU-Sprecher. Sie seien daher "Grund zur Besorgnis".

Er verwies darauf, dass die Türkei sich als Kandidatenland für einen EU-Beitritt zur Einhaltung politischer Kriterien "einschließlich der Rechtsstaatlichkeit" verpflichtet habe. Alle Beschuldigungen der Korruption müssten daher eingehend von einer unabhängigen Justiz untersucht werden.

Weitere Strafversetzungen in türkischer Korruptionsaffäre

Die türkische Regierung geht unterdessen weiter massiv gegen Korruptionsermittlungen in den höchsten Rängen der Politik vor. Der stellvertretende Chef der Landespolizei sowie die Polizeipräsidenten in 15 Provinzen seien von ihren Aufgaben entbunden worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Darunter sind demnach auch die Polizeichefs der Hauptstadt Ankara sowie der Provinz Izmir. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will damit die Bestechungsaffäre unter Kontrolle bringen, die den Regierungschef vor die größte Herausforderung seiner elfjährigen Amtszeit stellt.

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Dabei nimmt Erdogan auch die Justiz verstärkt ins Visier. Am Dienstagabend brachte seine AK-Partei einen Gesetzentwurf ein, der der Regierung mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten geben soll. Nach dem Vorschlag soll ein Vertreter des Justizministeriums zum Vorsitzenden des Gremiums gewählt werden können, das seinerseits zentrale Stellen im Rechtssystem der Türkei besetzt.

Dieser "Hohe Rat von Richtern und Staatsanwälten" war Erdogan ein Dorn im Auge, seit der Korruptionsskandal immer höhere Wellen geschlagen hat. Mitte Dezember waren überraschend Dutzende Verdächtige festgenommen worden. Die Ermittlungen wegen Bestechung richten sich auch gegen Söhne von inzwischen zurückgetretenen Ministern. (dpa/afp/rtr)