Berlin. . 2014 wird ein Gedenkjahr der Superlative. Vor 100 Jahren begann der Erste, vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg, und die Mauer fiel vor 25 Jahren - Wer will, kann einen Crashkurs der deutschen - und europäischen - Geschichte des 20. Jahrhunderts absolvieren.
Der Hartmannswillerkopf, der das Elsass südwestlich von Freiburg im Breisgau überragt, ist 956 Meter hoch und taucht seine Spitze manchmal in den Nebel. 1914 und 1915 fielen im Kampf um die Bergkuppe 30.000 Mann – Deutsche wie Franzosen.
Anfang August 2014, hundert Jahre nach dem Beginn der „Urkatastrophe“ Europas, wie der US-Historiker George F. Kennan den 1.Weltkrieg nannte, werden sich hier die Präsidenten Joachim Gauck und François Hollande die Hand reichen.
Vielleicht wird es eindringliche Bilder geben wie die von Helmut Kohl und François Mitterrand 1984 auf den Schlachtfeldern von Verdun. Aber der Hartmannswillerkopf wird nur einer der vielen Orte sein, an denen in diesem Mega-Jahr der Erinnerungen prägender Ereignisse des 20. Jahrhunderts gedacht wird.
Die historischen Daten
Der 1. August 1914 gilt als Beginn des 1.Weltkriegs. Er forderte 15 Millionen Tote.
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Vor 75 Jahren, am 1. September 1939, überfiel Hitler-Deutschland Polen. Der folgende 2.Weltkrieg sollte 50 Millionen Opfer haben.
Mitentscheidend für Hitlers Niederlage war die Invasion in der Normandie. Am 6.Juni 1944, vor 70 Jahren, begann der Sturm der Alliierten aufs europäische Festland.
Sie befreiten am Ende die Konzentrationslager, deren geistige Grundlage, die Nürnberger Gesetze, vor jetzt 80 Jahren in Kraft trat.
Deutschland wird sich schließlich der unverhofften Wende seiner komplizierten Geschichte des 20. Jahrhunderts erinnern. Am 9.November 1989, vor 25 Jahren, fiel die Berliner Mauer. Für die Deutschen ist es das einzige Wohlfühldatum in den nächsten zwölf Monaten.
Knappe vier Zeilen ist dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot das geschichtsschwere Jahr 2014 wert. Wir werden alle diese Anlässe „angemessen begehen“, verspricht darin die Regierung. Doch bisher hat nur der Bundespräsident einen eng getakteten Terminkalender. Gauck wird neben Hollande wohl Belgiens König treffen und auch die britische Queen. In St. Petersburg denken die Russen an ein größeres Zusammenkommen.
Tödliche Schüsse auf Franz Ferdinand
Die Geschichte hat aber noch andere Schauplätze: Wer fährt nach Sarajevo, wo am 28. Juni 1914 mit dem Mord am österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand die Signale auf Krieg gestellt wurden?
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Wer reist nach Danzig, wo der erste Schuss des 2.Weltkriegs fiel? Während London Geld aus der Staatskasse spendiert, damit britische Schüler die alten Schlachtfelder besuchen können, fehlt der Bundesregierung noch der detaillierte Gedenkplan. Im Auswärtigen Amt baut der Diplomat Andreas Meitzner daran. Im Ausland sieht man solches Zögern kritisch.
Der Zürcher „Tagesanzeiger“ schreibt, Deutschland, „einer der Hauptbeteiligten“, tue sich doch noch schwer. Der deutsche Historiker Gerd Krumeich, der im Team des Élysée-Palastes an den französischen Vorbereitungen für die 100-Jahr-Feierlichkeiten mitwirkt, hält die Zurückhaltung der Bundesregierung für eine „Dummheit“.
Dahinter steckt: Gerade westliche Nachbarstaaten wie Frankreich und Belgien definieren ihre Stellung im zusammenwachsenden Europa stark über Ausbruch und Ausgang von „Vierzehn-Achtzehn“, des „großen Krieges“.
Die Blicke richten sich auf Gauck
Immer, wenn Geschichte im Spiel ist, geht es auch um rhetorische Fallen, tiefe Verletzungen und lang anhaltende Empfindlichkeiten. Dabei richten sich alle Blicke auf Joachim Gauck. Wird der Bundespräsident, der in seinen Reden offenbar die großen Zusammenhänge der letzten 100 Jahre darstellen will, den richtigen Ton treffen?
Zu flüchtige Planungen der Jahrestage können schwer wiegende Folgen haben, musste der eigentlich geschichtsbewusste Bundeskanzler Helmut Kohl erfahren. Er lotste 1985 den US-Präsidenten Ronald Reagan unmittelbar nach einem Besuch des KZ Bergen-Belsen auf den Soldatenfriedhof von Bitburg. Dort waren auch 40 Gefallene der Waffen-SS begraben. Was als Versöhnungsgeste gedacht war, geriet zum politischen Debakel.