London. Mehr als 70 Jahre lang lag es auf dem Grund des Ärmelkanals - in Zukunft soll ein deutsches Kampfflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg nachfolgenden Generationen Geschichte begreifbar machen. Britische Experten haben einen Luftwaffen-Bomber vom Typ Dornier Do 17 geborgen.
Ein gigantischer brauner Koloss steigt aus dem Wasser auf. Rostiges Metall, bewachsen mit Meerespflanzen - und doch sind die Umrisse eines Flugzeugs noch zu erkennen. Nach mehr als 70 Jahren auf dem Grund des Ärmelkanals ist ein im Zweiten Weltkrieg von britischen Truppen abgeschossener deutscher Bomber vom Typ Dornier Do 17 geborgen worden. Experten des Museums der britischen Luftwaffe Royal Air Force (RAF) hatten gut sechs Jahre auf diesen Moment hingearbeitet. Die Dornier sei die letzte ihrer Art, hieß es am Dienstag von ihnen. In Zukunft soll der Flieger nachfolgende Generationen an die Geschehnisse des Krieges erinnern.
Jahrzehntelang hatte die Kampfmaschine vergessen auf den Sandbänken Goodwin Sands vor der Küste der Grafschaft Kent zwischen Ramsgate und Dover gelegen, 15 Meter tief. Abgeschossen worden war er vermutlich am 26. August 1940, während des in Großbritannien als "Battle of Britain" bekannten Luftangriffs Hitler-Deutschlands auf das Königreich. Zwei der vier Insassen starben, zwei kamen in britische Kriegsgefangenschaft.
Die Motoren der Maschine liegen noch auf dem Grund
Mehr als sechzig Jahre später entdeckte ein Taucher zufällig die verwitternden Metallberge, sagt der Sprecher des RAF-Museums, Ajay Srivastava. "Unser Interesse war sofort geweckt." Nach zahlreichen Untersuchungen entschloss man sich, das Kampfflugzeug zu heben. In den vergangenen Wochen hatte es mehrfach Versuche gegeben, jedes Mal aber scheiterten diese am Wetter.
Nach der komplizierten Bergungsaktion wurde am Dienstag schnell klar, dass einige Teile der Maschine schwer beschädigt sind, die Motoren etwa liegen noch auf dem Grund. Andere aber sind erstaunlich gut erhalten, in den Rädern zum Beispiel ist immer noch Luft. Mit Hilfe von Wasser- und Säurebädern soll die Dornier nun für die Zukunft gerettet werden. In etwa zwei Jahren sei damit zu rechnen, dass sie im RAF-Museum in London ausgestellt werden könne, erklärt Srivastava.
Der Flugzeugtyp war wegen seines schmalen Rumpfes einst als "Fliegender Bleistift" bekannt und wurde zunächst zur Aufklärung benutzt. Dann wurde er für den Kampfeinsatz umfunktioniert.
Pilot und Schütze überlebten den Absturz
Das Museum legt besonderen Wert darauf, dass es sich bei dem Wrack nicht um eine Grabstätte handelte. "Dann hätten wir es nicht herausgeholt", sagt Srivastava. Bei Recherchen in Großbritannien und Deutschland konnte man die Namen der vier Opfer des Abschusses ausmachen. Funker Helmut Reinhardt sei getötet worden, sagt Srivastava. Seine Leiche wurde in Holland ans Meer gespült, dort ist er begraben. Heinz Huhn fand in England seine letzte Ruhe, nachdem sein Körper an die Küste angeschwemmt wurde. Der Pilot Willy Effmert und Schütze Hermann Ritzel überlebten und kamen in Kriegsgefangenschaft. "Wir haben versucht, die Familie ausfindig zu machen, hatten aber keinen Erfolg", sagt Srivastava.
Insgesamt kostete die Bergung laut Museum rund 600.000 Pfund (704.000 Euro), ein großer Teil davon kam von privaten Spendern aus England und auch Deutschland. Noch nicht miteingerechnet sind die Kosten für die Restaurierung, allerdings wird diese in den hauseigenen Werkstätten des Museums stattfinden.
Doch warum der ganze Aufwand? "Die Maschine ist ein wichtiger Teil der Fluggeschichte. Und sie hilft uns, die Geschichte der "Battle of Britain" zu erklären", meint Srivastava. Vor allem aber solle sie genutzt werden, um die Erinnerung wachzuhalten und die Versöhnung zu fördern. "Die Entdeckung und Bergung der Dornier ist von nationaler und internationaler Bedeutung", sagt RAF-Museumschef Peter Dye. Die Dornier werde zu einem "bewegenden" Exponat der Ausstellung über den Zweiten Weltkrieg werden: "Im Herzen dieses Projektes stehen das Gedenken und die Aussöhnung." (dpa)