Berlin. . Das starke Wahlergebnis der Union erschwert es der SPD, Ziele wie den Mindestlohn durchzusetzen. Das sagte zumindest SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die SPD habe keine gesellschaftliche Mehrheit für ihre Vorhaben bekommen, die Koalitionsgespräche seien „keine leichte Aufgabe“.

Vor der Entscheidung des SPD-Konvents über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen wird in der Partei weiter kritisch über ein Große Koalition diskutiert. Der kleine SPD-Parteitag am Sonntag wird nach allgemeiner Erwartung zwar den Verhandlungen zustimmen; er könnte aber härtere Bedingungen für eine Koalition formulieren, als es der SPD-Spitze vorschwebt – und damit neue Hürden für Schwarz-Rot aufbauen.

Die Sprecherin des linken Flügels der SPD, Hilde Mattheis, sagte dieser Zeitung: „Wir müssen über Steuererhöhungen sprechen, für einen Politikwechsel kommt es auch auf Verteilungsfragen an.“ Zusätzliche Ausgaben etwa für Bildung und Infrastruktur seien allein durch Einsparungen nicht zu finanzieren. Es drohe eine Gerechtigkeitslücke.

In der Union wird dagegen berichtet, SPD-Chef Sigmar Gabriel habe Verständnis für das Nein der Union zu Steuererhöhungen signalisiert. Kanzlerin Angela Merkel schloss gestern Steuererhöhungen erneut klar aus, zeigte sich aber „kompromissbereit“ beim Mindestlohn. Die von der SPD ursprünglich verlangten konkreten Zusagen zu Knackpunkten wie dem Mindestlohn hatte die Union in den Sondierungsgesprächen kategorisch abgelehnt. Allerdings hat Gabriel bei einem vertraulichen Sechs-Augen-Gespräch mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer eindeutige Signale zum Mindestlohn und anderen Streitfragen erhalten, die ihn und die engste SPD-Führung offenbar ermutigten.

„Außerordentlich schwierige Lage“

Zugleich dämpfte Gabriel gestern die Erwartungen: Das starke Wahlergebnis der Union erschwere es der SPD, Ziele wie den Mindestlohn durchzusetzen, sagte er. „Das macht die Lage, ich will das gar nicht verheimlichen, auch außerordentlich schwierig.“ Die SPD habe keine gesellschaftliche Mehrheit für ihre Vorhaben bekommen, die Koalitionsgespräche seien „keine leichte Aufgabe“.

Irritationen in der SPD löste das Verfahren aus, nun doch ohne verbindliche Zusagen der Union über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu entscheiden. Das Erwartungsmanagement sei nicht gut gewesen, hieß es im SPD-Vorstand. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte, den Verlauf des Konvents könne man nicht vorhersagen. In der SPD-Mitgliederschaft gebe es eine große Skepsis.

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SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagte, die Mitglieder erwarteten einen substanziellen Politikwechsel. Allerdings wurde in der Partei gestern darauf verwiesen, dass die Absage an Verhandlungen durch den Konvent auch ein Misstrauensvotum gegen die SPD-Führung bedeuten würde. Dies könne niemand wollen.

Spekulationen um Posten

Belastet wird die interne Debatte in der SPD auch durch die anhaltenden Spekulationen über Ministerposten. So gilt in der SPD-Führung als ausgemacht, dass Gabriel als Vizekanzler das Arbeitsministerium übernimmt; zugleich könnte die SPD auch das Finanzministerium für sich reklamieren und auf das Außenministerium verzichten. Auf Meldungen, die den Eindruck endgültiger Absprachen erweckten, reagierte Gabriel verärgert: Es sei weder bei den Sondierungen noch in internen Gesprächen der SPD über Kabinettsposten „auch nur gesprochen worden“.

Der Mitgliederentscheid über eine Koalition mit der Union ist nach Einschätzungen aus der SPD „kein Selbstläufer“. Hilde Mattheis nennt Bedingungen: Das Mitgliedervotum müsse „ein echter Mitgliederentscheid mit Urnen- und Briefwahl“ sein. Eine Abstimmung in Regionalkonferenzen werde sicher nicht ausreichen.