Berlin. . SPD und Union loten aus, was geht. Es geht um Mindestlohn, Maut und Steuererhöhungen. Größter Unsicherheitsfaktor ist aber die SPD-Basis, denn die Sozialdemokraten müssen ihre Mitglieder von der Aufnahme von Koalitionsgesprächen überzeugen.

Es waren die Grünen, die am Ende entschieden haben, nicht weiter zu verhandeln. „Das nehmen wir zur Kenntnis“, bemerkte CSU-Chef Horst Seehofer. Die Union hätte sich gern die Option von Schwarz-Grün offen gehalten. Seit Mittwochmorgen stellt sich die Frage nicht mehr. Denn kein Grüner habe die Kraft und den Willen gehabt, auch dafür zu kämpfen, heißt es in Unionskreisen, wo sie über die „Habe-gerade-keine-Zeit-Generation“ spötteln. Kanzlerin Angela Merkel bleibt die SPD als Koalitionspartner – und die Trauben hängen hoch, wenn beide Seiten heute zum dritten Mal „sondieren“. Selbst ein viertes Treffen am Freitag ist nicht ausgeschlossen.

Große Koalitionen sind im Bund selten. Die Verhandlungen waren oft atypisch. 2005 preschte die SPD mit einer Kabinettsliste vor. Erst die Posten, dann die Inhalte? Das war unkonventionell. Auch diesmal gehen die Sozialdemokraten ungewöhnliche Wege. In gewisser Weise nehmen sie die Koalitionsverhandlungen vorweg: SPD-Chef Sigmar Gabriel will einem Parteikonvent am Sonntag aufzeigen, wofür es sich lohnt, über eine Große Koalition zu reden: Zum Beispiel für einen Mindestlohn. Flächendeckend 8,50 Euro hoch. Schon zu Sondierungsgesprächen setzt Gabriel sich (und die Union) mächtig unter Erfolgsdruck.

Jede Seite könnte Wort halten

Die Ziffer und die Methodik sind der Union ein Ärgernis. Eigentlich wollte man erst das „Gesamtkunstwerk“ abwarten. Zugeständnisse macht man normalerweise in Verhandlungen – und meist zum Schluss – nicht schon in den Sondierungen. Aber was heißt hier normal? Gabriel muss seine Basis zweimal berücksichtigen. Am Sonntag muss er seine Funktionäre zu Verhandlungen überreden und an ihrem Ende alle SPD-Mitglieder vom Ergebnis überzeugen.

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Das ist oft beschrieben worden. Nun wird nur klarer, was daraus erwächst: Eine Bringschuld, eine Erwartung, heute schon erste Einigungslinien aufzuzeigen. Es gibt Punkte, wo man nahe beieinander ist. Das gilt für die Rente, für den Kampf gegen den Missbrauch von Leiharbeit. Auch auf eine Ausweitung der LKW-Maut dürfte man sich verständigen. Aber es bleibt die für die SPD zentrale Frage eines Mindestlohns: Das „Geschenkpaket“ für Gabriel, wie es in der Union heißt. Eine Lösung könnte so aussehen, dass die Union ihren Willen bekundet, einen Mindestlohn von 8,50 Euro „anzustreben“, allerdings unter dem Vorbehalt, dass dieser keine Arbeitsplätze kosten dürfe. Im Gegenzug solle die SPD erklären, was Gabriel schon mal so ausgedrückt hat: Steuererhöhungen seien kein Selbstzweck. Jede Seite würde dann Wort halten: Die SPD mit Mindestlöhnen und die Union mit dem Verzicht auf höhere Steuern.

Lieber mit Linken als mit der CDU

Was auch immer die „Sondierer“ von Union und SPD gerade ausbaldowern – es dürfte nicht ganz einfach werden, die SPD-Basis von den Ergebnissen zu überzeugen. Denn die Ablehnung gegen eine Große Koalition ist unter Sozialdemokraten heute kaum kleiner als in den Tagen direkt nach der Wahl.

Der Widerstand der Genossen formiert sich zum Beispiel im Internet. Auf den Facebook-Seiten der SPD machen Mitglieder und Sympathisanten der Partei ihrem Ärger darüber Luft, dass überhaupt mit der Union sondiert wird.

„Das Wir entscheidet. Also her mit dem Mitgliederentscheid und gleich als Alternative Rot-Rot-Grün mitanbieten“, schreibt einer der Kommentatoren, und in den diversen politischen Internet-Foren finden sich Hunderte Stimmen, die ähnlich klingen. Tenor der SPD-Netzgemeinde: Eine Große Koalition ist das Allerletzte. Sie würde die Partei in den Abgrund stoßen.

Manche wünschen sich eine starke SPD in der Opposition, erstaunlich viele liebäugeln sogar mit einem Linksbündnis. Rot-Rot-Grün ist für die Parteispitze derzeit noch ein Schreckgespenst, für Teile der Basis aber durchaus eine Option.