Berlin. . Die Bundeskanzlerin fährt für die CDU das beste Wahlergebnis seit mehr als 20 Jahren ein. Zu Beginn ihrer dritten Amtsperiode spielt sie nun in der Helmut-Kohl-Klasse. Nach dem Jubel am Wahlabend beginnt am Montag die Suche nach einem Koalitionspartner – falls es nicht zur absoluten Mehrheit reicht.
Sie ballen die Faust, singen, hüpfen. Wie in der Südkurve. Aus der Tiefe des Raums kommt der Ruf: „Oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht erlebt, so schön“. Berlin, Konrad-Adenauer-Haus, 18 Uhr: Schwarz-Gelb ist gerade doppelt abgewählt worden, im Bund wie in Hessen. Und die CDU? Sie feiert!
„Faszinierend, eine Riesen-Freude“, flötet CDU-Vizechefin Ursula von der Leyen. Sie zieht von TV-Team zu TV-Team, um neue Superlative ringend: „Das ist überragend.“ Oder: „Ich freue mich unglaublich.“ Die Frau strahlt. Es sei ein Ergebnis, „wie wir es seit Jahren nicht mehr erlebt haben“, sagt Armin Laschet, Chef der NRW-CDU.
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Hinter den Kulissen: ungläubiges Staunen. Ein Insider erzählt uns, „da herrschte Ungewissheit, wir wussten nicht, was aus der FDP und was aus der AfD wird.“ So erklärt sich, dass CDU-Chefin Angela Merkel in ihrer ersten spontanen Reaktion nur über die CDU redet; und dass ihr nichts Gefühliges zur FDP einfällt, mit der sie vier Jahre regiert hat. Erst später, im Fernsehen, in der Elefantenrunde, beteuert Merkel auf Nachfrage zum FDP-Debakel: „Ich bedaure das.“
Sangesfreudige Fans in der ersten Reihe
Die Kanzlerin hatte die Prognose und die erste Hochrechnung abgewartet. Nach 45 Minuten, als ihr Sieg perfekt scheint, nimmt Merkel die drei Stufen, rauf auf die graudrapierte Bühne. Sie trägt eine blaue Jacke zur schwarzen Hose. Vor der Bühne hat die CDU eine Gruppe junger Leute positioniert: Es ist das A-Team, es sind die Claqueure, die sangesfreudigen Fans in ihren orangefarbenen T-Shirts, die siegestrunken „Angie, Angie“ rufen.
Ein leichtes Lächeln umspielt Merkels Lippen. Von Sekunde zu Sekunde wird die Erleichterung größer, bis sie völlig entspannt lacht. Einen kleinen Seitenblick wirft sie ihrem Ehemann Joachim Sauer zu. Links von ihr, seitlich an der Wand, ihre Clique: Sauer, Büroleiterin Beate Baumann, Verteidigungsminister Thomas de Maizière einen Schritt dahinter. Merkels Vizechefs stehen neben ihr auf der Bühne.
Merkel hat das beste Ergebnis der CDU seit über 20 Jahren eingefahren. Jetzt, an der Schwelle zur dritten Amtsperiode, spielt sie in der Helmut-Kohl-Klasse. 2005 und 2009 hatte man ihr noch nachgerufen, Merkel gewinne nur Umfragen, aber keine Wahlen. Dieses Mal löst Merkel ihren Amtsbonus ein. Über 42 Prozent.
„Auf dem Teppich bleiben“
Mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen hatte sie nicht gerechnet. Und in Interviews war sie meist auch nicht danach gefragt worden. Sie vernimmt die Zahlen am Wahlabend, traut aber ihren Ohren nicht. Merkel will das amtliche Endergebnis abwarten, eine Nacht darüber schlafen. „Wir bleiben auf dem Teppich“, verspricht Gröhe.
Mit dem Ergebnis werde man „vertrauensvoll und sorgsam umgehen“, verspricht Merkel im Konrad-Adenauer-Haus. Nichts anderes wird sie später auch im Fernsehen sagen. Aus Respekt vor der FDP – zu dem Zeitpunkt noch im parlamentarischen Überlebenskampf – verrät sie nirgendwo ihre Pläne.
Merkel feiert ihren Triumph
„Es ist zu früh, genau zu sagen, wie wir vorgehen aber freuen dürfen wir uns heute schon, denn wir haben es toll gemacht“, hatte die CDU-Chefin den Anhängern zugerufen. Die CDU-Spitze sitzt nicht geschlossen zusammen; immer steht gerade einer von ihnen im Fernsehen Rede und Antwort. Erst heute bietet sich die Chance, die Strategie im Lichte des Ergebnisses nüchtern zu beraten.
Große Koalition ist kein Selbstläufer
Wenn man die absolute Mehrheit der Stimmen verfehlt, ist eine Große Koalition kein Selbstläufer. Es gibt nach Informationen unserer Zeitung Politiker, die mit allen Parteien reden wollen. Auch mit den Grünen. In der „Elefantenrunde“ gratuliert der Grüne Jürgen Trittin ihr betont freundlich. Schmeißt der Mann sich schon ran? Die Alternative: Ein Rosenkrieg, zweiter Teil, (Bündnis mit der SPD) oder eine „Pizza Connection“?
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Eine Große Koalition wäre plausibler. Es gab Signale – bis in die letzten Tage hinein. Letzte Kabinettssitzung am Mittwoch: Was beschließt man? Einen Mindestlohn (für Steinmetze), also eine Kernforderung der SPD. Und im Wahlaufruf der CDU fand sich keine Kritik an einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes – auch so eine SPD-Forderung. In Hessen wurde Schwarz-Gelb abgewählt – der Bundesrat ist jetzt in SPD-Hand.
Unten im Foyer des Adenauer-Hauses herrscht ein dichtes Gedränge, wie auf der Kirmes. Es gibt Wein, Sekt, Bier, ein Buffet, sogar einen Stand mit Zigaretten. Gut 1000 Menschen belagern die CDU, darunter Fernsehteams aus aller Welt. Und es gibt in der Tat was zu bestaunen: Merkels Erntedankfest.