Dass 56 Jahre nach CDU-Ahnherr Konrad Adenauer noch einmal ein deutscher Bundeskanzler eine derartige Machtfülle auf sich vereinigen würde, hätte bis gestern Abend wohl jeder ins Reich der Utopien verbannt. Die Deutschen wollten Angela Merkel haben – und sie haben sie jetzt mit großer Konsequenz zur unangefochtenen Siegerin gewählt.
Merkels Position ist sogar stärker als die von Helmut Kohl 1976, der damals beinahe die absolute Mehrheit geholt hätte. Denn weder in der Bundestagsfraktion noch in der Partei hat sie einen Rivalen oder eine Rivalin von Rang. Sie verfügt inzwischen über acht Jahre Regierungserfahrung, der bundespolitisch noch weitgehend unerfahrene Kohl war dagegen als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident zur Bundestagswahl angetreten.
Auch das hat das gestrige Ergebnis deutlich gemacht: Wir haben jetzt tatsächlich eine neue Parteienlandschaft. Eine bürgerliche Koalition aus Union und FDP gibt es, man muss sich das einmal vorstellen, nur noch in Sachsen. Auf Bundesebene ist diese Konstellation in weite Ferne gerückt.
Haben wir das Ende des Liberalismus erlebt?
Vielleicht gelingt Christian Lindner, Chef der Liberalen in Nordrhein-Westfalen, wenn er denn Parteivorsitzender des FDP-Torsos wird, noch einmal eine Renaissance der Liberalen. Schon am Wahlabend ging er jedenfalls mit der erfolglosen Wahlkampagne der Liberalen hart ins Gericht, indem er den Stil des liberalen Spitzenpersonals unüberhörbar kritisierte. Ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass wir gestern Abend das Ende des Liberalismus gesehen haben könnten.
In Europa ist die gestrige Bundestagswahl mit einer noch nie dagewesenen Spannung beobachtet worden. Selbst die Südländer, die sich insgeheim eine ausgabenfreudigere linke deutsche Regierung gewünscht haben, wissen nun, woran sie sind. Keine Hilfe ohne Gegenleistung, das wird in den nächsten vier Jahren vermutlich die Devise sein für die europäische Rettungspolitik. Merkel ist entschlossen, ihre Vision vom Alten Kontinent mit Hilfe der Nordländer durchzusetzen. Und der gestrige Wahlabend hat auch ihre Position im Konzert der europäischen Staaten nachhaltig gestärkt.
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