Damaskus/Kairo. . Die Chemiewaffenexperten, die in Syrien die Giftgas-Vorwürfe gegen das Regime untersuchen sollen, sind am ersten Tag ihres Einsatzes von Heckenschützen beschossen worden. Der internationale Druck auf das Assad-Regime wächst. Frankreich und Großbritannien reden offen über eine militärische Reaktion.

Kaum hatten die UN-Inspekteure die ersten Kilometer vom Four-Seasons-Hotel an den Stadtrand von Damaskus zurückgelegt, war ihre Fahrt auch schon zu Ende: Heckenschützen nahmen das erste der sieben Fahrzeuge unter Feuer und zwangen den Konvoi, zunächst einmal umzukehren. Regierung und Rebellen schoben sich gegenseitig die Schuld für den Beschuss zu. Verletzt wurde niemand, und die Blauhelme ließen nicht locker. Mittags unternahmen sie einen zweiten Versuch und konnten bis in die Kampfzonen vordringen, mit Verletzten und Ärzten sprechen sowie Blut- und Bodenproben nehmen.

Beim Nachweis von Giftgas allerdings sind die seit dem mörderischen Beschuss am letzten Mittwoch verstrichenen fünf Tage eine lange Zeit. Denn das Regime des syrischen Präsidenten Assad gab erst nach zähem Widerstand und massivem internationalem Druck grünes Licht für die Mission der UN-Inspektoren ins Umland der Hauptstadt, wo Hunderte Männer, Frauen und Kinder durch Nervengift gestorben waren.

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Die leichtflüchtigen Gase dürften nur noch schwierig nachweisbar sein, zumal die Armee das Gebiet in den letzten Tagen mit Raketen und Bomben systematisch durchpflügte.

„Geringe Zweifel an Täterschaft“

Und so wächst international die Überzeugung, dass Assads Armee für das grausame Verbrechen verantwortlich ist und die USA zusammen mit Europa auf den Giftgas-Massenmord militärisch reagieren müssen. So zitierte die „New York Times“ einen hohen Mitarbeiter des Weißen Hauses, es gebe „nur noch sehr geringe Zweifel“ an der Täterschaft der Armee. Einen militärischen Alleingang der USA allerdings hatte der amerikanische Präsident Barack Obama zuvor ausgeschlossen.

Am Montag kamen in der jordanischen Hauptstadt Amman US-Oberbefehlshaber General Martin Dempsey sowie hohe Offiziere aus europäischen Ländern, Kanada, der Türkei und den Golfstaaten zu Beratungen über die Lage in Syrien zusammen. Der britische Außenminister William Hague erklärte, eine militärische Reaktion auf den Einsatz von Chemiewaffen sei auch ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates möglich.

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Einen Angriff bereits diese Woche schloss Hague nicht aus. Nach den Worten seines französischen Amtskollegen Laurent Fabius werde schon in den nächsten Tagen die Entscheidung über Art und Ausmaß der Militäraktion fallen. Eine Option allerdings sei ausgeschlossen, „nämlich dass wir gar nichts tun“. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte am Montag, sollte sich der Giftgaseinsatz bestätigen, „muss die Weltgemeinschaft handeln. Dann wird Deutschland zu denen gehören, die Konsequenzen für richtig halten.“ Ziel aber müsse eine politische Lösung bleiben, so Westerwelle.

„Wir sind auf alles vorbereitet“

Und so scheint sich erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs vor zwei Jahren in der Führung in Damaskus die Überzeugung breit zu machen, der Westen könnte tatsächlich mit eigenen Streitkräften angreifen. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet“, zitiert die Agentur AFP ein hohes Regimemitglied.

Präsident Bashar al-Assad nannte in einem Interview mit einer russischen Zeitung die Behauptung, seine Armee habe Giftgas eingesetzt, „eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes“. Er warnte die USA, eine militärische Intervention in Syrien werde „genauso als Fehlschlag enden wie alle früheren Kriege, angefangen von Vietnam bis zum heutigen Tag“.