Essen. US-Außenminister John Kerry hat Israelis und Palästinenser nach drei Jahren erstmals wieder an den Verhandlungstisch gebracht. Doch die Voraussetzungen für einen Frieden könnten kaum schlechter sein. Ein Überblick über Probleme, Positionen und handelnde Personen.

Auf die Frage nach einem Frieden mit den Palästinensern antworteten viele Israelis inzwischen zynisch: Nur US-Präsident Obama, Kanzlerin Merkel und der Weihnachtsmann glauben noch an die Zwei-Staaten-Lösung. Drei Jahre herrschte Funkstille zwischen Israel und den Palästinensern, in dieser Woche soll unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry in Washington wieder miteinander gesprochen werden. Doch das einzige, was beide Seiten verbindet, ist tiefes Misstrauen. Das Feindbild hat sich über all die Jahre gefestigt. Entsprechend groß ist die Skepsis.

„Es ist schon so viel gesprochen worden“, sagt Khouloud Daibes. „Und während der Verhandlungen wurde das Land, über das wir verhandeln konnten, immer weniger.“ Die in Deutschland ausgebildete frühere Tourismusministerin der Palästinensischen Autonomiebehörde spricht aus, was viele Palästinenser denken. Die Zahl der Siedler im Westjordanland hat sich in zwei Jahrzehnten nahezu vervierfacht. Israel hat eine Sperranlage gebaut, die stellenweise weit in die Gebiete hineinreicht, die die Palästinenser für ihren Staat beanspruchen.

Rabin und Arafat

Der Friedensprozess scheitert nun bereits seit 20 Jahren. Die Männer, ohne die es 1993 kein Oslo-Abkommen gegeben hätte, sind tot. Der israelische Ministerpräsident Itzhak Rabin wurde 1995 in Tel Aviv von einem jüdischen Fundamentalisten und Rechtsextremisten erschossen. Jassir Arafat starb 2004 in einer Pariser Klinik. Sein Leichnam wurde exhumiert. Derzeit wird untersucht, ob er vergiftet wurde. Seit fast zwei Jahrzehnten sind Tausende Menschen bei Militäroffensiven, Terroranschlägen und Vergeltungsaktionen ums Leben gekommen.

Die Unterhändler

Es gibt reichlich Anlass für Pessimismus. Das zeigt auch ein Blick auf die Auserwählten, die die Vorgespräche führen sollen. Der Palästinenser Saeb Erekat hat viel Erfahrung. Seit Anfang der 90er Jahre ist er Unterhändler. Doch inzwischen hat sich die Lage auf der palästinensischen Seite deutlich verschlechtert. Die Palästinenser sind gespalten. Im Westjordanland regiert die Autonomiebehörde von Präsident Abbas. Die radikal-islamische Hamas kontrolliert den Gazastreifen. Die Hamas lehnt Friedensgespräche ab und erkennt die Autorität von Präsident Abbas nicht an. Zudem hat Erekat keine Entscheidungsgewalt.

Dieses Schicksal teilt er mit Zipi Livni, die für die Israelis verhandelt. Die Justizministerin ist in den USA und Europa ein geschätzter Gast, in der israelischen Regierung von Netanjahu aber ein Leichtgewicht.

Die Ausgangslage

Schon vor den neuen Gesprächen wollten die Palästinenser festschreiben lassen, dass ihr Staat innerhalb der Grenzen entstehen soll, wie sie bis zum Sechs-Tage-Krieg von 1967 galten. Israel lehnte das ab.

Schock durch die Europäer

Doch der Vorstoß der EU, der – offenbar ungeplant – vor wenigen Tagen Schockwellen bei den Israelis auslöste, soll Palästinenserpräsident Abbas kompromissbereit gemacht haben. In den Richtlinien der EU-Kommission stellen die Europäer klar, dass die von Israel 1967 besetzten Gebiete (mit den Golan-Höhen und Ost-Jerusalem) nicht zu Israel gehören und deshalb keine Förderung mit Mitteln der EU-Kommission erhalten. Damit hatten die Israelis nicht gerechnet, zumal auch Deutschland, sonst verlässlich an der Seite Israels, zugestimmt hat.

Der Zeitplan

US-Außenmister Kerry hat keinen Zeitplan öffentlich gemacht und Verschwiegenheit verordnet. Israelis und Palästinenser sollen erstmal reden. Die Kernprobleme:

Grenzen

Die Palästinenser wollen einen Staat in den Grenzen, die bis zum Krieg 1967 Bestand hatten.

Siedlungen

In dem Gebiet gibt es aber inzwischen 124 von der israelischen Regierung anerkannte und geförderte jüdische Siedlungen und etwa 100 Außenposten von Siedlern, die auch nach israelischem Recht nicht legal sind. Sie müssten geräumt werden. Einem Landtausch würden die Palästinenser in geringem Umfang zustimmen. Israel will aber zumindest die großen Siedlungsblöcke mit einem Großteil der 360 000 Einwohner dem eigenen Territorium zuschlagen.

Auch interessant

Sicherheit

Ohne Sicherheit kein Palästinenserstaat, sagt die israelische Regierung. Zahlreiche Israelis kamen bei Selbstmordattentaten ums Leben. Die Hamas schoss Tausende Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel. Israel will zudem eine Militärpräsenz im Jordantal, die Kontrolle des Luftraums und die Entmilitarisierung eines künftigen Palästinenserstaates.

Jerusalem

Jerusalem ist besonders umstritten. Israel eroberte 1967 auch den arabischen Ostteil Jerusalems und erklärte die Stadt zur „ewigen und unteilbaren“ Hauptstadt. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem aber zur Hauptstadt ihres künftige Staates machen. Im Ostteil liegen die heiligen Stätten von Muslimen (Felsendom) und Juden (Klagemauer).

Flüchtlinge

Die Palästinenser, die während der Kriege 1948/49 und 1967 geflohen sind sowie deren Nachkommen sollen nach dem Willen der Palästinenser ein Recht auf Rückkehr in ihre alte Heimat erhalten. Es sind etwa fünf Millionen Menschen. Die israelische Regierung lehnt das ab. Es würde den jüdischen Charakter des Staates Israel gefährden. In Israel leben etwa acht Millionen Menschen, etwa 20 Prozent von ihnen sind Muslime.

Wasser

Die Trinkwasser-Vorräte in der ganzen Region werden knapper. Die Palästinenser fordern eine gerechte Verteilung der Ressourcen. Im Gazastreifen droht das Wasser für die 1,7 Millionen Einwohner nicht mehr zu reichen.