Berlin. 19 Zeugen an sechs Tagen innerhalb von zwei Wochen: Der Vernehmungs-Marathon im Drohnen-Untersuchungsausschuss hat begonnen. Der erste Zeuge verteidigt die damalige Entscheidung zur Beschaffung des “Euro Hawks“, der nach Investition einer halben Milliarde Euro im Mai scheiterte.
Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hat eingeräumt, dass Risiken bei der Beschaffung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" von Anfang an absehbar waren. Allerdings seien die Probleme in der Konzeptionsphase von allen Beteiligten als lösbar eingeschätzt worden, sagte der 66-Jährige am Montag als erster Zeuge vor dem Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestags. "Es war niemand zu diesem Zeitpunkt da, der uns in irgendeiner Form gesagt hätte: nein." Von "Geburtsfehlern" könne deshalb nicht die Rede sein.
Schneiderhan zeigte Unverständnis über den Abbruch des Projekts. "Ich habe keine Alternativen bisher gesehen, diese Fähigkeitslücke zu decken", sagte er. Es sei die richtige Technologie. "Deswegen wäre ich bis zur Stunde nicht auf den Gedanken gekommen: Dann lassen wir es bleiben."
Grundlage fürs Drohnen-Geschäft wurde von Rot-Grün gelegt
Das milliardenschwere Drohnen-Projekt "Euro Hawk" war vor zwölf Jahren von einer rot-grünen Bundesregierung in die Wege geleitet worden, 2007 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Im Mai 2013 stoppte das Verteidigungsministerium das Projekt wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion. Zu diesem Zeitpunkt war schon mehr als eine halbe Milliarde Euro investiert worden.
Schneiderhan war von 2002 bis 2009 Generalinspekteur und damit ranghöchster Soldat der Bundeswehr und wichtigster militärischer Berater des Verteidigungsministers. Vor dem Ausschuss sagte er, dass sich in der Konzeptionsphase jeder bewusst gewesen sei, dass der "Technologiesprung" einer Drohnen-Anschaffung ein Risiko bedeute. Das sei aber kein Hinderungsgrund gewesen, die Beschaffung voranzutreiben. "Wir waren der Meinung, dass wir uns diesem Trend nicht einfach entziehen können", sagte Schneiderhan. "Da waren wir uns alle einig, dass die Bundeswehr diese Fähigkeit braucht."
Lieber nichts Schriftliches
Schneiderhan äußerte sich auch zur Informationspraxis innerhalb des Ministeriums und belastete damit Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker hatte beklagt, dass er von den zuständigen Stellen in seinem Ministerium nur unzureichend schriftlich über die "Euro Hawk"-Probleme informiert worden sei. Schneiderhan sagte, wenn er immer auf schriftliche Vorlagen gewartet hätte, wäre er vielleicht noch kürzer im Amt gewesen. Ein Generalinspekteur würde "hohe Gefahr" laufen, wenn er aus jedem Sachverhalt eine schriftlichen Vorlage machen würde. Auf Nachfrage sagte er dazu, es bestehe das Risiko, dass solche Vorlagen eher bei der Presse als beim Minister landeten.
Am Montag sollten auch noch die Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU) vor dem Ausschuss aussagen. Scharping war im Amt, als das Projekt in die Wege geleitet wurde, Jung bei Vertragsunterzeichnung. Bis Ende Juli sollen in sechs Sitzungen insgesamt 19 Zeugen befragt werden. Der jetzige Verteidigungsminister Thomas de Maizière soll den Abgeordneten am 31. Juli Rede und Antwort stehen. Die Opposition wirft dem CDU-Politiker vor, das Projekt zu spät gestoppt zu haben. Sie fordert seinen Rücktritt.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte am Montag im ZDF-"Morgenmagazin": "Nachdem sichtbar wurde, dass der Minister das Parlament und die Öffentlichkeit belogen hat, bin ich der Auffassung, dass er nicht mehr haltbar ist." De Maizière habe anfangs sogar noch erklärt, er habe von allem nichts gewusst. Inzwischen wisse man, dass er mehrere schriftliche Dokumente mit Hinweisen auf die Probleme gehabt habe.
Der Ausschuss will bis Ende August seinen Abschlussbericht vorlegen. Anfang September will sich der Bundestag kurz vor der Wahl in einer Sondersitzung damit befassen. "So darf ein Minister mit der Wahrheit nicht umgehen." (dpa)