Essen. Die Milliarden-Programme für Forschung und Studienplätze enden bald. Zudem wird die Schuldenbremse der Länder rabiate Kürzungsrunden auslösen. Jetzt werden die Weichen für die Zukunft der Hochschulen gestellt: Wer wird profitieren, wer wird verlieren? Wie können sich die jungen Hochschulen an Rhein und Ruhr behaupten? Eine Experten-Konferenz wird in Kürze die Richtung aufzeigen.
Ein Kampf ist ausgebrochen unter deutschen Universitäten und Forschungsinstituten. Es ist ein Kampf um die Zukunft der Wissenschaft, um Ansehen und Macht – und um viel Geld. Derzeit werden die Weichen gestellt für die nächsten Jahrzehnte und die Akteure bringen sich in Stellung. Hochschulen, Forschungsorganisationen, Gewerkschaften und Interessenverbände versuchen, jetzt Pflöcke einzuschlagen, um ihre Interessen zu sichern.
Die Ausgangslage ist klar: Die großen Forschungsprogramme, die viele Milliarden Euro in das Wissenschaftssystem geleitet haben, laufen bald aus: Im Jahr 2015 der „Pakt für Forschung und Innovation“, der den außeruniversitären Forschungsinstituten zehn Jahre lang Zuwächse verschaffte. 2017 endet die „Exzellenzinitiative“ für die Universitäten und 2020 der „Hochschulpakt“, mit dem Hunderttausende neue Studienplätze eingerichtet wurden.
Rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf
Wie geht es weiter? Sind all’ die Forschungsprogramme, Labore, Graduiertenschulen und Stellen nun gefährdet? Wie werden die knappen Mittel in Zukunft verteilt? Wer profitiert – wer verliert?
Der mächtige Wissenschaftsrat (WR) soll die Richtung aufzeigen. Derzeit beraten die Experten über „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“. Auf der Sommertagung vom 10. bis 12. Juli in Braunschweig wird das wichtigste akademische Beratungsgremium seine Ergebnisse präsentieren – gerade rechtzeitig, um im Bundestagswahlkampf Themen zu setzen.
Fünf Spitzenunis
In einem ersten Entwurf machten die Experten bereits eine Reihe von Vorschlägen. So sollen sich die Hochschulen weiter spezialisieren, Profile ausbilden. 20 bis 25 forschungsstarke Universitäten soll es in Zukunft geben, andere sollen ihre Lehraufgaben ausbauen. Der Exzellenzwettbewerb soll in neuer Form weitergeführt und auch für Fachhochschulen geöffnet werden.
Ziel sei es überdies, mittelfristig zwei bis fünf Spitzenuniversitäten auf vordere Plätze internationaler Ranglisten zu platzieren. Der Bund soll die gesamten Kosten des Bafög übernehmen – bisher zahlt er 65 Prozent, den Rest die Länder. Das finanzielle Gefälle zwischen den Universitäten und außeruniversitären Forschungsorganisationen soll beendet werden, die Hochschulen müssten besser finanziert werden. Auf welche Punkte sich das hohe Gremium einigen kann, ist noch ungewiss.
Geld vom Bund
Schon heute können die Länder die Hochschulen kaum noch ausreichend finanzieren. Prekär könnte die Lage ab 2020 werden, wenn die Schuldenbremse greift. Die Hochschulen müssen sich spätestens dann auf rabiate Kürzungsrunden einstellen. Zu gerne würden sie daher Geld vom Bund nehmen, doch das „Kooperationsverbot“ untersagt es der Bundesregierung, in die Bildungsbelange der Länder einzugreifen. Zwar sind sich inzwischen beinahe alle Kultusminister darin einig, dass diese Regelung gekippt werden muss, doch ist dafür eine Grundgesetzänderung nötig. Daher ist die Forderung der Hochschulrektoren nach 3000 „Bundesprofessoren“ bislang nicht mehr als ein frommer Wunsch.
Wenn es weniger zu verteilen gibt, werden aus Partnern schnell Gegner. So haben sich bereits große und forschungsstarke Universitäten in der Gruppe „U15“ zusammengeschlossen, um ihre Interessen besser durchzusetzen. Die übrigen fürchten, abgehängt zu werden, was den Rektor der Uni Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, veranlasste, einen Protestbrief an die Kollegen zu verfassen. Solche „Clubs und Kartelle“ seien leistungsfeindlich und beliebig.
Alle stellen Forderungen
Auch die mathematisch-naturwissenschaftliche Fachgesellschaft, die 120 000 Mitglieder vertritt, fordert mehr Mittel aus der Bundeskasse; die Hochschulrektorenkonferenz verlangt eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen, und die Gewerkschaften wollen von der frühkindlichen Förderung bis zu den Unis den Bund finanziell ins Boot holen.
So kämpft jeder für sich und seine Klientel, das Gesamtbild kann dabei leicht aus dem Blick geraten. Bislang aber haben Wirtschaft und Bildung stark von einem breit aufgestellten Wissenschaftssystem profitiert. Der entbrannte Kampf könnte diese Position schwächen.