Düsseldorf/Berlin. . Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will die staatliche Förderung für Studierende ausbauen. „Das Bafög geht heute teilweise an der Lebenswirklichkeit vorbei“, sagte Wanka in einem Interview. Die Studentenschaft werde immer unterschiedlicher, meinte sie mit Blick auf Späteinsteiger.

Mit ihrer Ankündigung, die Bafög-Förderung zu reformieren und der Lebenswirklichkeit heutiger Studenten anzupassen, rennt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in Düsseldorf offene Türen ein. „Ich mache mich schon lange für ein modernes Bafög stark“, sagte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) dieser Zeitung. „Das System muss flexibler werden und auf Studierende mit vielfältigen Bildungswegen besser reagieren“, so Schulze weiter.

Vor 40 Jahren wurde die finanzielle Hilfe für Schüler und Studenten unter dem Monsterbegriff „Bundesausbildungsförderungsgesetz“ (Bafög) eingeführt. Damals galt weitgehend das Modell des Vollzeitstudenten: Morgens zur Uni, abends nach Hause – bis zum Diplom. Heute aber studieren viele junge Menschen „in Teilzeit“ neben dem Job, unterbrechen das Studium für eine Berufsphase oder einen Auslandsaufenthalt. Das passt nichts ins starre Bafög-System. Die Unterstützung endet nach der Regelstudienzeit, dann fehlt oft in der stressigen Examensphase das Geld.

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Von Christopher Onkelbach

Dies hatte Johanna Wanka offenbar im Hinterkopf, als sie in der Süddeutschen Zeitung eine Reform ankündigte. Es gebe viele Menschen, die von der Unterstützung ausgeschlossen werden: „Die Förderung muss weiter geöffnet werden.“ Konkret meint sie eine Anhebung der Altersgrenze, die derzeit bei 35 Jahren liegt. Sowie die Ausweitung der Förderung auf das Teilzeitstudium. Wanka stellte aber auch klar, dass die Studenten im Einzelfall kaum mit mehr Geld rechnen können.

Ministerin Schulze: Ich bin überrascht

Im Ziel der Bafög-Reform sind sich die Ministerinnen Schulze und Wanka einig. Doch wundert sich die NRW-Ministerin, wie der Bund die zusätzlichen Mittel aufbringen will. Schulze: „Mich freut die Position des Bundes. Wenngleich es mich vor dem Hintergrund der jüngst vorgestellten Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2014 überrascht.“ Da die Länder ein Drittel der Bafög-Kosten tragen, muss sich der Bund mit ihnen einigen. Im April sollen dazu Gespräche stattfinden.

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Von Mandy Kunstmann

Von den rund 590 000 Studierenden in NRW erhalten knapp 90 000 eine Bafögförderung, das entspricht mit einer Quote von gut 18 Prozent etwa dem Bundesdurchschnitt. Der Bafög-Höchstsatz beträgt 670 Euro im Monat, doch diese Summe erhält nur eine Minderheit, im Durchschnitt sind es 425 Euro. NRW wird in diesem Jahr mehr als 200 Millionen Euro in die Ausbildung junger Menschen investieren, wobei eine Hälfte des Bafög als zinsloses Darlehen, die andere als Zuschuss ausgezahlt wird.

Studentwerk fordert höhere Sätze

Auch das Deutsche Studentenwerk (DSW) findet Wankas Vorschläge gut, doch springe die Ministerin zu kurz: „Die Altersgrenzen sollten ganz fallen, wenn man die Idee des lebenslangen Lernens ernst meint“, sagte DSW-Sprecher Stefan Grob dieser Zeitung. Bisher bekommen Studenten im Regelfall nur dann Bafög, wenn sie zum Studienbeginn das 30. Lebensjahr nicht vollendet haben. Ein Berufstätiger, der seinen Masterabschluss nachholen möchte, fiele dann heraus.

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Zudem sei eine Anpassung der Bafög-Sätze überfällig. Grob: „Wir brauchen beides, eine Erhöhung und eine Ausweitung der Förderung.“ Er hoffe, dass die Gespräche zwischen Bund und Ländern noch vor dem nächsten Wintersemester zu Ergebnissen führen werden.

Die Grünen hingegen reagierten auf Wankas Pläne mit Skepsis. „Mir ist schleierhaft wie die Ministerin den Widerspruch löst, Strukturreformen und mehr Geld fürs Bafög anzukündigen und gleichzeitig den Bildungsetat um 620 Millionen Euro zu kürzen“, sagte Grünen-Hochschulpolitiker Kai Gehring. „Wir wollen das Bafög stärker auf die soziale Öffnung der Hochschulen ausrichten und den Berechtigtenkreis erweitern.“

Berlin will mehr Einfluss

Für Gesprächsstoff in den Länderministerien dürfte eine weitere Forderung Wankas sorgen. Sie will den Einfluss des Bundes auf die Hochschulen ausweiten, sogar herausragende Institute und Lehrstühle mit Bundesmitteln gezielt fördern sowie bedrohte „Orchideenfächer“ unterstützen. Dies würde tief und detailliert in die eifersüchtig gehütete Kulturhoheit der Länder eingreifen. Ministerin Schulze wies das Ansinnen bereits zurück. Nötig sei eine Lösung für den gesamten Bildungsbereich, „keine Rosinenpickerei“.