Brüssel. Es waren Stunden des Streits. Am Ende sah es nach einer politischen Katastrophe für die EU aus. In letzter Minute sorgten die Minister dafür, dass die EU-Sanktionen gegen das Assad-Regime bestehenbleiben. Das Waffenembargo wurde aber von London und Paris gekippt.

Bei den EU-Außenministern in Brüssel ging es heiß her. Nach zwölf Stunden erbitterten Streits um Waffen für die Aufständischen in Syrien war das heftig umkämpfte Waffenembargo gegen den Nahost-Staat gekippt. Aber das Schlimmste wurde dann doch vermieden: Sämtliche andere Sanktionen gegen das Regime von Baschar al-Assad sollen bestehenbleiben.

Offiziell laufen sämtliche Sanktionen zum 1. Juni aus, weil sie zu einem großen Paket gehören, über dessen Verlängerung man sich nicht einigen konnte. Doch zu nächtlicher Stunde vereinbarten die Minister, diese Sanktionen - von Einreiseverboten über einen Öl-Einfuhrstopp bis hin zu verbotenen Geldtransfers und Investitionen - im Eilverfahren neu zu beschließen.

Österreich erklärte Verhandlungen schon für gescheitert

Zuvor war der österreichische Außenminister Michael Spindelegger sichtlich verärgert vor die Presse getreten und hatte die Verhandlungen bereits für gescheitert erklärt. London und Paris hätten auf die Waffenlieferungen nicht verzichten wollen. Österreich lehne das aber grundsätzlich ab: "Das ist eine völlige Verkehrung der bisherigen Vorgangsweise der Europäischen Union bei allen Konflikten." Und deswegen werde es auch am 1. Juni all die anderen Sanktionen nicht mehr geben.

Spindeleggers Hiobsbotschaft überraschte die anderen Außenminister beim Nachtmahl mit den EU-Beitrittskandidaten. Da hatte sich aber bereits der niederländische Außenminister Frans Timmermans mit dem deutschen Kollegen Guido Westerwelle zusammengetan, um zu retten, was noch zu retten war. So kam nicht nur die Ankündigung neuer, alter Sanktionen zustande. Auch London und Paris gelobten, falls man Waffen liefere, so werde dies nur im Einklang mit bereits 2008 beschlossenen Richtlinien eines "Gemeinsamen Standpunkts" geschehen. Damit werden Lieferungen von Waffen, die der Unterdrückung von Zivilisten dienen, ausdrücklich verboten.

London und Paris wollen durch Waffenlieferungen Druck auf Assad erhöhen

Großbritannien und Frankreich argumentierten, Waffenlieferungen erhöhten gerade vor der in Genf geplanten Syrien-Konferenz den politischen Druck auf Assad. Österreich, aber auch viele andere EU-Mitglieder fürchteten hingegen, dass erstens ein Rüstungswettlauf mit Russland, dem Waffenlieferanten Assads, beginnen werde. Und dass zweitens Waffen aus EU-Staaten auch in die Hände islamistischer Extremisten fallen könnten. Spindelegger sah eine Abkehr von der EU als "Friedensunion" und "eine 180-Grad-Wende" der bisherigen EU-Politik.

"Es war wirklich Spitz auf Knopf", sagte Westerwelle. "Es sah eine Zeit lang so aus, als wäre keine Einigung mehr möglich." Niederländer und Deutsche hätten daher beschlossen, "dass wir zu später Stunde noch einmal einen Anlauf versuchen sollten". So habe man zwar das Waffenembargo zugunsten nationaler Entscheidungen geopfert, für diese Entscheidungen aber einen verbindliche Rahmen vereinbart. Und die anderen Sanktionen seien gerettet worden.

Gerettet, was zu retten war

"Unfähig sein, zu einem Kompromiss zu kommen - das wäre das Allerschlimmste. Dann könnten wir hier, glaube ich, den Laden zumachen", hatte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn ahnungsvoll-ängstlich gegrummelt. "Dann bräuchten wir als Außenminister der Europäischen Union überhaupt nicht mehr zu existieren." Später war er mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden: "Wir haben gerettet, was zu retten war."

Für Spindelegger aber hinterließ die lange Nacht in Brüssel einen "bitteren Nachgeschmack": "Wenn zwei unbedingt wollen, dass etwas in eine andere Richtung gelenkt wird, können nicht 25 einfach hinterherspringen", formulierte er. Er hatte sich auch wegen der Sorge um die 380 österreichischen UN-Blauhelmsoldaten auf den Golanhöhen besonders stark gegen den britisch-französischen Wunsch positioniert.

Nun schauen die EU-Außenminister gebannt auf die geplante Syrien-Konferenz in Genf. Denn im August wollen sie noch einmal darüber nachdenken, wie es mit den Sanktionen weitergehen soll. (dpa)

Hintergründe zum Verhältnis der EU zu Syrien gibt es auf einem "Factsheet" der EU.