München. . In München ist am zweiten Verhandlungstag nach einigen Verzögerungen die Anklage gegen die als Neonazi-Terroristin angeklagte Beate Zschäpe verlesen worden. Der Vorsitzende Richter erwägt unterdessen, den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom Verfahren abzutrennen, weil in diesem Fall die Zahl der Nebenkläger noch steigen könnte.
Im NSU-Prozess erwägt das Gericht, einen Teil der Anklagevorwürfe abzuspalten, um das Verfahren zu entlasten. Es sei möglicherweise daran zu denken, den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom Verfahren abzutrennen, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Dienstag in der mündlichen Verhandlung. Grund sei die große Zahl möglicherweise Geschädigter, die sich noch als Nebenkläger anschließen könnten. Götzl regte an, dass die Beteiligten über eine Abtrennung nachdenken. In diesem Fall könnten zunächst alle anderen Tatvorwürfe verhandelt werden. Bei dem Bombenanschlag in Köln am 9. Juni 2004 waren 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt worden.
Es geht um zehn Morde, die Bildung und Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), 15 Banküberfälle, schwere Brandstiftung und weitere Verbrechen: Die Anklageschrift gegen Beate Zschäpe listet im Detail alle zehn Morde der NSU auf, um die Brutalität der Taten zu demonstrieren. Die 38-jährige Angeklagte nahm die Vorwürfe am zweiten Verhandlungstag wie ihre Mitangeklagten Ralf Wohlleben (38), André E., sowie Carsten S. (33) und Holger G. reaktionslos zur Kenntnis. Erst am Ende des Verlesens zuckte sie, als erklärt wurde, dass für sie die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen würden.
Beate Zschäpe zeigt kaum Regung
Als die Anklage verlesen wurde, blickte Beate Zschäpe in Richtung Bundesanwalt oder auf die Tischfläche. Anfangs hatte die Hauptangeklagte noch in ihrem Laptop gelesen. Bald aber klappte sie ihn zu und zeigte kaum noch eine Regung.
Der rechte Terror der NSUDie Bundesanwaltschaft zeigt sich in der Anklageschrift überzeugt, dass das Motiv für die Taten die „völkisch-rassistische Ideologie“ der Angeklagten war. Die ersten neun Morde seien gezielt gegen südländisch aussehende Mitbürger gerichtet gewesen. So sollte Verunsicherung in dieser Bevölkerungsgruppe geschürt und diese Menschen zum Verlassen Deutschlands getrieben werden.
Aus Sicht der Ankläger haben sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe dem Wollen der Gruppe NSU untergeordnet. Es habe keinen Anführer gegeben. Der Name NSU sei spätestens seit 2001 benutzt worden. Im Jahr 2002 sei der Name erstmals in die Öffentlichkeit getragen worden: Es soll zwei Schreiben an zwei rechtsextreme Postillen gegeben haben.
Beate Zschäpe denkt nicht daran, sich zu äußern
Wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung „NSU“ wurden ebenfalls André E. (33) und Holger G. (39) angeklagt. G. wird die Unterstützung in drei Fällen vorgeworfen. André E., so der Vorwurf der Anklage, habe Beihilfe zum versuchten Mord, beim Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion sowie zur gefährlichen Körperverletzung geleistet. Er soll Wohnmobile angemietet und die NSU unterstützt haben.
Die Angeklagten Ralf Wohlleben (38) und Carsten S. (33) wurden wegen Beihilfe zum Mord in jeweils neun Fällen angeklagt: Sie sollen die Waffe beschafft haben.
Zweiter Tag des NSU-Prozess
20 Schusswaffen und 1000 Schuss Munition gefunden
Nach der Enttarnung der Gruppierung im November 2011 wurden bei den Dreien nach Angaben der Bundesanwaltschaft 2,5 Kilo Schwarzpulver, 20 Schusswaffen sowie 1000 Schuss Munition gefunden. Das Trio soll Anschlagsziele ausspioniert und in einer Datei mit insgesamt 10 116 Namen und Ziele aufgelistet haben. Zschäpe soll für die Tarnung der Terrorgruppierung zuständig gewesen sein.
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Unmittelbar vor dem Verlesen der Anklageschrift überprüfte Richter Manfred Götzl die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten. Das wäre der erste Moment für Beate Zschäpe gewesen, sich zu äußern. Doch ihr Anwalt teilte mit, dass seine Mandantin schweigen werde.
Der Prozess hatte mit einem juristischen Fingerhakeln zwischen dem Vorsitzenden Richter und Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer begonnen. Der Verteidiger versuchte, das Wort zu erlangen, um seinen in der Vorwoche angekündigten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vorzubringen.
Besetzungsrüge angekündigt
Doch Richter Götzl hatte sich zu Beginn der Verhandlung bei allen Anwälten erkundigt, welche Anträge sie für den Prozesstag geplant hätten. Olaf Klemke, ein Verteidiger von Ralf Wohlleben, kündigte eine Besetzungsrüge an. Seine Kollegin Nicole Schneiders wollte noch einen Aussetzungsantrag und einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen.
Der Nebenklageanwalt Thomas Bliwier forderte dagegen die Bundesanwaltschaft auf, die Anklage zu verlesen. Er warf den Verteidigern vor, das Verlesen der Klage hinauszögern zu wollen. Auch Richter Götzl ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er am zweiten Verhandlungstag das Verlesen der Anklage ermöglichen wollte.
Zschäpe wirkte während der Verhandlung angespannt. Von der am ersten Prozesstag vor einer Woche noch zur Schau getragenen Lockerheit war nicht viel übrig; das Lächeln war verschwunden. Diesmal trug sie einen hellgrauen Hosenanzug, eine weiße Bluse und große Kreolen als Ohrringe. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mehrfach besprach sie sich mit den Anwälten.
Richter können die Laptops der Anwälte einsehen
Gegen elf Uhr hatte Anwalt Heer das Aussetzen der Hauptverhandlung beantragt, damit der Prozess in einem anderen Sitzungssaal neu begonnen werden könne. Der Verteidiger kritisierte zudem, dass zwei Richter des Senats wegen der räumlichen Enge die Laptops der Verteidiger voll einsehen könnten.
Die Verteidigung von Beate Zschäpe forderte zudem, das Akkreditierungsverfahren für Journalisten überprüfen zu können. Anwalt Heer äußerte den Verdacht, dass es „konkrete Anhaltspunkte“ dafür gebe, „dass auch das zweite Akkreditierungsverfahren mangelhaft durchgeführt wurde“. (mit dpa)