München. Am zweiten Verhandlungstag gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat der Bundesanwalt nach Prozessunterbrechungen die Anklage verlesen. Zschäpe wird als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der NSU-Terrorgruppe angeklagt. Der Tag in der Chronik.
Der Münchner Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU geht heute unter strengen Sicherheitsvorkehrungen weiter. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe haben für den zweiten Verhandlungstag weitere Anträge gestellt - unter anderem fordern sie eine Aussetzung des Verfahrens. Zschäpe ist als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) angeklagt, darunter die Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin. Außerdem stehen vier mutmaßliche Helfer der Gruppe vor Gericht. Das Verfahren gilt schon heute als einer der bedeutendsten Strafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik.
Die Befangenheitsanträge Zschäpes und des Mitangeklagten Ralf Wohlleben gegen drei Richter des Senats vom 6. Mai hatte das Oberlandesgericht München zurückgewiesen. Laut OLG sind 86 Angehörige und Opfer als Nebenkläger zugelassen, sie werden von 62 Anwälten vertreten.
Einige warfen der Verteidigung nach den Befangenheitsanträgen vor, das Verfahren verzögern zu wollen. Die Anwälte von Angehörigen des ermordeten Halit Yozgat wollen darauf drängen, dass die Bundesanwaltschaft diesmal die Anklage verliest. Die Ereignisse des Tages in der Chronik zum Nachlesen:
18.54 Uhr:
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Zu Beginn hat der Vorsitzende Richter bereits angekündigt, noch Stellungnahmen zu den am Dienstag vorgetragenen Rügen gegen die Zusammensetzung des Gerichts einholen zu wollen.
Sollte das Verfahren danach weiter gehen, könnten die Angeklagten Holger G. und Carsten S. Aussagen machen.
18.39 Uhr:
In der Pressekonferenz finden Bundesanwalt Herbert Diemer und Oberstaatsanwältin Anette Greger klare Worte, was die Tatvorwürfe gegen Beate Zschäpe betrifft. „Wir sehen die Dreiergruppe als einheitliches Tötungskommando“, sagt Oberstaatsanwältin Anette Greger. Allen dreien sei es darauf angekommen, dass diese verabscheuungswürdigen Taten gemeinsam begangen werden und jeder der Drei habe dazu einen Tatbeitrag zu erbringen gehabt.
18.10 Uhr:
Vor der Unterbrechung der Sitzung hatten die Verteidiger von Ralf Wohlleben und von Beate Zschäpe die Besetzung des Gerichts gerügt.
Zweiter Tag des NSU-Prozess
18.09 Uhr:
Das Gericht hat die Situng unterbrochen. Der Prozess wird am Mittwoch um 9.30 Uhr fortgesetzt.
17.10 Uhr:
Das Verlesen der Anklage hat etwa eine Stunde gedauert. Beate Zschäpe folgte dem Verlesen fast regungslos. Erst als Bundesanwalt Herbert Diemer darauf verwies, dass bei ihr die Voraussetzungen für eine anschließende Sicherungsverwahrung gegeben seien, war kurz eine Regung im Gesicht zu erkennen.
Während einer kurzen Verhandlungspause steht Beate Schzäpe allein hinter ihrem Stuhl. Sie wirkt unruhig, hat die Hände gefaltet und blickt hin und wieder zur Decke des Saals. Ihre Verteidiger hatten den Sitzungssaal vorübergehend verlassen.
17.05 Uhr:
Die Ankläger werfen Zschäpe unter anderem vor, als gleichberechtigte Mittäterin der rechtsextremen Terror-Organisation NSU für zehn Morde aus "rassistischen und staatsfeindlichen Motiven", mehrere Mordversuche und diverse weitere Verbrechen verantwortlich zu sein. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
16.50 Uhr:
Im Presseraum versammeln sich die ersten Journalisten. Gleich nach Abschluss der Sitzung soll es eine Pressekonferenz geben.
16.30 Uhr:
Laut Angaben der Nachrichtenagentur dpa hat Bundesanwalt Herbert Diemer am zweiten Verhandlungstag die Anklage gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier weitere Beschuldigte verlesen.
Laut dpa wird Zschäpe vor Gericht bei ihrem Schweigen bleiben. "Sie wird keine Angaben zur Person machen", sagte ihr Verteidiger Wolfgang Heer.
15.30 Uhr:
Das Gericht ist wieder erschienen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.
15.20 Uhr:
Vor der Unterbrechung hatte es mehrfach heftige Wortgefechte zwischen Richter Götzl und Anwalt Heer gegeben. Verteidiger Heer hatte eine dienstliche Erklärung des Gerichts gefordert, wie Zeugen vernommen werden sollen und eine entsprechende Skizze dazu. Der Vorsitzende Richter hatte diesen Antrag aber zurückgestellt. Heer forderte eine sofortige Entscheidung und kündigte einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens an, weil bestimmte Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft nicht geeignet seien, an der Sitzung teilzunehmen, wie Heer ausführte.
Der Verteidiger begründete die Dringlichkeit seines Antrags damit, dass die Vertreter der Bundesanwaltschaft mit Stellungnahmen Einfluss auf das Verfahren nehmen können.
Der Vorsitzende Richter wollte auch diesen Antrag zurückstellen und stattdessen mit der Vernehmung der Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen forfahren. Richter Götzl deutete die Möglichkeit an, dass heute auch noch die Anklage verlesen werden könnte.
15.10 Uhr:
Nach nur 15 Minuten wurde die Sitzung erneut unterbrochen.
14.30 Uhr:
Das Gericht hat den Antrag der Verteidigung auf Aussetzung abgewiesen. Dennoch wird der Prozess erneut bis 14.45 Uhr für Beratungen unterbrochen.
14.10 Uhr:
Während der Pause ist Beate Zschäpe mit ihrer Verteidigerin Anja Sturm in ein intensives Gespräch verwickelt.
Die Verteidigerin erntete einige Buh-Rufe von Zuschauern, als sie erklärte, dass der Antrag auf Aussetzen des Verfahrens auch verhindern solle, dass sich ihre Mandantin womöglich zwei Mal die Anklage anhören müsse, falls der Prozess von neuem beginne.
14.06 Uhr:
Kurz nach der Fortsetzung des Verfahrens waren Richter Manfred Götzl und Verteidiger Wolfgang Heer in einen heftigen Wortwechsel verwickelt. Der Richter hatte dem Verteidiger empfohlen, sich in die zweite Reihe der Anklagebank zu setzen, falls er das Gefühl habe, dass seine Unterlagen von der Richterbank aus einzusehen seien.
Heer wies dieses Ansinnen mit der Bemerkung "Katzentisch" zurück. Das wiederum verbat sich der vorsitzende Richter. Es gebe in seinem Gerichtssaal keinen Katzentisch.
Die Verhandlung wurde erneut unterbrochen. Zuvor hatte Bundesanwalt Herbert Diemer den Antrag der Zschäpe-Verteidiger auf Aussetzung des Verfahrens zurück gewiesen.
"Das Trauerspiel geht weiter"
13.53 Uhr:
"Das Trauerspiel geht weiter", hatte Nebenklageanwalt Mehmet Gülkan Daimermagüler eben in der Pause gesagt. "Wir sind keinen Schritt weitergekommen." Es seien Fragen diskutiert worden, die längst entschieden seien. Die Verteidigung habe alles Recht der Welt, Anträge zu stellen, meint der Berliner Anwalt, der zwei Opferfamilien vertritt. "Aber nicht alles, was legal ist, ist auch legitim." Je länger die Verhandlung andauere, desto wahrscheinlicher werde eine erneute Verschiebung. "Meine Hoffnung, dass die Anklage heute verlesen wird, schwindet zunehmend."
13.39 Uhr:
Die vier Vertreter der Bundesanwaltschaft haben im Gerichtssaal Platz genommen. Mit einem Lächen betritt auch Beate Zschäpe den Geichtssaal. Die vier weiteren Angeklagten folgen. Auch der vorsitzende Richter Manfred Götzl ist mit seinem Senat wieder im Gerichtssaal. Es kann weiter gehen.
13.22 Uhr:
Journalisten und Zuschauer haben in den Verhandlungspausen die Möglichkeit die Toilette zu benutzen. In der Mittagspause werden auch belegte Brötchen verkauft. Aber: Das Verlassen des abgesperrten Bereichs ist nur möglich, wenn auch der Sitzplatz auf der Empore aufgegeben wird.
13.15 Uhr:
Die Aussicht auf eine erneute mögliche Verzögerung sei keine schöne Situation für die betroffenen Familien, sagt Nebenklageanwalt Sariayar, der die Angehörigen des 2005 in Nürnberg ermordeten Ismail Yasar (50) vertritt. Er rechnet heute noch mit weiteren Anträgen. Beim RAF-Prozess habe es fünf Monate gedauert, bis die Anklage verlesen wurde - er hoffe nicht, dass es hier auch so lang dauere. Dass es heute noch zum Verlesen der Anklage kommt, glaubt er nicht. Das Auftreten der Angeklagten habe er heute als zurückhaltender erlebt, sagt Sariyar, auch äußerlich. Sie wirke außerdem nervöser. "Sie ist nicht so cool und souverän wie letzte Woche. Ihre Augenlider zittern." Vielleicht, meint er, sei ihr bewusst geworden, dass jede Regung von ihr zu einer Interpretation in den Medien führt.
13.07 Uhr:
Die Verteidiger von Semiya Simsek, deren Vater das erste Opfer der NSU-Mordserie war, kommen aus dem Gericht. Ob die Anklage heute noch verlesen werde, sei eine Glaubensfrage, sagt Stephan Lucas. Zum Inhalt der heute gestellten Anträge wollen sich die Verteidiger nicht äußern. Formell seien sie korrekt gestellt. Großprozesse folgten eben ganz eigenen Regeln. Obwohl im Verfahren heute auch mal von Schwachsinn die Rede war, will Simseks zweiter Verteidiger nicht von Unverschämtheiten sprechen. Der Ton sei sachlich, das Prozedere von Unsachlichkeit und schroffem Ton noch weit entfernt.
12.10 Uhr:
OLG-Sprecherin Andrea Titz sagte in der Gerichtspause, die Verteidigung habe einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt. Nach der Mittagspause um 13.30 Uhr haben die Vertreter der Nebenklage Gelegenheit, sich vor Gericht zu diesem und weiteren Anträgen zu äußern. Titz sagte weiter, dass es, wenn es bei den bis jetzt gestellten Anträgen bleibe, theoretisch möglich sei, dass die Anklageschrift noch heute verlesen wird. Das sei aber wahrscheinlich nur der Fall, wenn keine weiteren Anträge gestellt würden. Zum Antrag, das Verfahren in einem größeren Gerichtssaal fortzusetzen, sagte sie, dass es die Ansicht des Gerichts sei, dass die nötige Sicherheit nur in einem Gerichtsgebäude gewährleistet sei.
Die Verteidigung habe außerdem bemängelt, dass ihre Laptops für die Richter einsehbar seien.
11.40 Uhr
Die Sitzung ist bis 13.30 Uhr unterbrochen
11.17 Uhr
Die Bundesanwaltschaft erklärt, dass die Verhandlung trotz des Antrags fortgesetzt werden könne. Man gehe davon aus, dass der Antrag abgelehnt werde.
11.15 Uhr
Sebastian Scharmer, einer der Nebenklageanwälten fordert, den Prozess fortzusetzen, da der Antrag der Verteidigung rechtlich zwar zulässig sei. Der Antrag ist aus Sicht des Nebenklageanwalts aber unbegründet. Sebastian Scharmer verweist darauf, dass es den Angehörigen der Opfer nicht mehr zuzumuten sei, dass der Prozess ausgesetzt oder unterbrochen werde.
11.07 Uhr
Richter Wolfgang Götzl erteilt Anwalt Wolfgang Heer das Wort. Er begründet seine Entscheidung damit, dass der Anwalt einen Antrag auf Aussetzung begründet hat.
Wolfgang Heer, der Verteidiger von Beate Zschäpe, hat in einem Antrag die Aussetzung der Hauptverhandlung gefordert. Der Prozess soll in einem Sitzungssaal neu begonnen werden, der eine ausreichende Anzahl von Sitzplätzen für die Öffentlichkeit bietet. Für den Fall, dass das Gericht dem Antrag der Verteidigung nicht folgen sollte, beantragte der Verteidiger, jeweils 50 Medienvertreter und 50 Zuschauer für das Verfahren zuzulassen.
Der Verteidiger kritisierte, dass die im Gericht installierte Videoanlage nicht die von Oberlandesgerichtspräsident Karl Huber angekündigten Funktionen aufweise. So würden Redner auf den Plätzen der Nebenklage nicht groß abgebildet und könnten von der Empore aus nicht erkannt werden. Der Anwalt legte mehrere Fotos vor, auf denen die schlechten Sichtverhältnisse von der Tribüne aus erkennbar sein sollen.
Der Verteidiger kritisierte zudem, dass zwei Richter des Senats wegen der räumlichen Enge, die Plätze der Verteidiger voll einsehen könnten. Zudem sei es nicht für alle Verteidiger des Verfahrens möglich, Zeugen komplett bei einer Befragung zu sehen.
Der Verteidiger forderte zudem, zu prüfen, ob es bereits frühzeitig Absprachen zwischen dem Oberlandesgericht München und der Bundesanwaltschaft über den Prozessstandort gegeben habe. Nach Angaben von Verteidiger Heer soll bereits am 10.Oktober des Vorjahres festgestanden haben, dass das Verfahren in München geführt werde.
Er warf der Bundesanwaltschaft vor, die Chance nicht genutzt zu haben, für das Verfahren einen geeigneten Gerichtsstandort zu finden. Heer verweist unter anderem darauf, dass beispielsweise der alte Bundestag in Bonn, das heutige World Conference Center, hätte genutzt werden können.
Die Verteidigung von Beate Zschäpe forderte zudem, das Akkreditierungsverfahren für Journalisten überprüfen zu können. Anwalt Heer äußerte den Verdacht, dass es „konkrete Anhaltspunkte“ dafür gebe, „dass auch das zweite Akkreditierungsverfahren mangelhaft durchgeführt wurde“.
Es habe eine Woche gedauert, so Heer, bis das Gericht geprüft hatte, ob die Verteidigung Einsicht in die Akten der Akkreditierung erhalten werde. Inzwischen wurde diese Genehmigung erteilt. Um die Unterlagen einsehen zu können, beantragte die Verteidigung die Aussetzung des Verfahrens für zwei weitere Sitzungstage um die Unterlagen prüfen zu können.
Der Verteidiger forderte, den Prozess sofort auszusetzen, um über den Antrag durch das Gericht zu entschieden.
11.05 Uhr:
Der Prozess wird fortgesetzt.
Nach Aussage von Justizsprecherin Andrea Titz kann es heute noch zu weiteren Anträgen kommen. Fünf Anträge seien angekündigt, sagt sie, das heiße aber nicht, dass es auch bei diesen fünf bleibe. Eine Besetzungsrüge sei angekündigt worden. Inwiefern das Gericht in den Augen der Antragsteller falsch besetzt sei, könne sie aber derzeit noch nicht sagen.
Prozess geht nur mühsam voran
10.42 Uhr
Die Sitzung ist erneut unterbrochen: Wohllebens Verteidiger Klempk hatte zuvor dem Vorwurf widersprochen, dass die Verteidigung verhindern wolle, dass die Anklage verlesen wird. Er weist diesen Vorwurf als Schwachsinn zurück.
"Offensichtlich sind noch nicht genug Kanzleischeiben eingeworfen worde", fügt der Anwalt an. "Es geht nur darum, die Verteidigung unter Druck zu setzen", so Klemke.
10:36 Uhr:
Der Senat unter Rochter Manfred Götzl hat wieder den Verhandlungssaal betreten, der Prozess wird fortgesetzt.
10.18 Uhr
Dem Einfallsreichtum der Verteidigung seien keine Grenzen gesetzt. „Ich finde auch, dass wir so schnell wie möglich die Anklage verlesen sollten“, erklärt Herbert Diemer von der Bundesanwaltschaft.
Richter Götzl hat die Sitzung für 10 Minuten unterbrochen.
Nicole Schneiders, die zweite Verteidigerin von Wohlleben, kündigt zudem einen weiteren Aussetzungsantrag und einen Einstellungsantrag an.
10.05 Uhr
Heer erklärt zu seinem Antrag: „In diesem Sitzungssaal darf nicht weiter verhandelt werden.“
Der Anwalt darf aber seinen Antrag auf Aussetzen der Verhandlung noch nicht stellen.
10.00 Uhr
Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer erinnert daran, dass er bereits am letzten Verhandlungstag vor einer Woche das Wort erbeten hatte. Einer der Anwälte des Opfers Halit Yozgat beantragt, die Bundesanwaltschaft soll so schnell wie möglich die Anklageschrift verlesen.
Olaf Klemke, der Verteidiger von Ralf Wohlleben kündigt eine Besetzungsrüge an.
9.50 Uhr:
Zschäpe wirkt angespannt. Sie spricht mit ihren Rechtsanwälten. Der Angeklagte André E. sitzt völlig gelassen mit Sonnenbrille daneben.
Die Fotografen und Kamerateams müssen den Gerichtssaal verlassen. Der Prozess kann beginnen.
9.47 Uhr:
Beate Zschäpe wird in den Gerichtssaal geführt. Sie trägt wie auch am ersten Verhandlungstag keine Handschellen und einen hellgrauen Hosenanzug mit einer weißen Bluse. Die Haare hat die Angeklagte zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie steht bei ihren Anwälten und dreht ihren Rücken den Fotografen zu.
Ralf Wohlleben hat ebenfalls den Gerichtssaal betreten. Offenbar ist auch heute seine Ehefrau nicht anwesend. Ihr steht ein Platz als Beistand neben ihrem Mann zu.
9.34 Uhr:
Stephan Lucas, der Anwalt von Semiya Simsek, gibt Interviews vor dem Gericht. Seine Mandantin ist heute nicht hier. Lucas gibt sich entspannt. Wenn es heute ideal laufen würde, sagt er, würde die Anklage verlesen werden, damit das Verfahren auch gefühlt losgehen könne. Aber damit rechnet hier heute ohnehin niemand. Im schlechteren - und zu erwartenden Fall - würden weitere Anträge verlesen. Diese könne man jedoch durchaus stellen, betont Lucas, der schon in einer gestrigen Presseerklärung hervorgehoben hatte, man halte die Befangenheitsanträge der Verteidigung für "durchaus diskutabel". Auch Simsek könne damit leben. Reagieren werde man auf die Anträge heute nicht. "Wir lehnen uns erstmal zurück und hören zu."
9.26 Uhr:
Der Angeklagte André E. hat den Gerichtssaal betreten. Er trägt ein schwarztes T-Shirt undn eine Sonnenbrille. Das selbe T-Shirt der Gruppe AC/DC trägt auch sein Zwillingsbruder Maik, der in den Zuschauern sitzt.
Das Kreuz im Gerichtssaal hängt noch
9.10 Uhr:
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Im Schwurgerichtssaal A101, so nennt sich der Verhandlungssaal des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht München, hängt noch immer über dem Eingang ein christliches Kreuz. Dieses Symbol war in der Vorwoche in die Kritik geraten, weil so eine Religion bevorzugt werde. In der heutigen Verhandlung ist wahrscheinlich auch ein Antrag zu erwarten, dass das Kreuz entfernt werden soll.
8.53 Uhr:
Die Anwälte von Beate Zschäpe, Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl haben den Gerichtssaal betreten.
8.42 Uhr:
Die Angeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben sind beim OLG eingetroffen. Beide wurden in einem Konvoi in schwarzen Geländewagen mit erhöhter Geschwindigkeit vorgefahren. Die Scheiben waren getönt, die Fahrer trugen Gesichtsmasken.
8.21 Uhr:
Warten auf Beate Zschäpe: Die Straße hinter dem Gericht ist abgesperrt. Kein Passant kommt mehr durch. Wie lange noch? "Alles geheim", sagt der Polizist. - "Des is joa verrückt", schimpft der Löwenbräu-Mitarbeiter auf dem Fahrrad, der sich heut extra schon früher auf den Weg zur Arbeit gemacht hat. Der Prozess soll um 9.30 Uhr starten.
8.15 Uhr:
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Nach dem Gedränge am ersten Verhandlungstag hat sich die Situation im Gerichtsgebäude heute entspannt. Die Sicherheitskontrollen sind genauso streng wie zum ersten Prozesstag. Taschen werden gründlich durchsucht, es gibt eine Leibesvisitation und das Gepäck wird durchleuchtet. Die kontrollierenden Polizeibeamte sind ausgesucht freundlich.
Im Gerichtssaal unter mir arbeiten bereits 10 Fotografen und Kamerateams. Bewacht wird der Bereich von etwa 10 Polizisten. Bisher sind noch keine Vertreter der Nebenklage oder Verteidiger eingetroffen.
7.55 Uhr:
Die Schlange unter dem Zelt, das die Schleuse ins Gericht ist, ist nicht lang, aber es geht nur bedächtig voran. Mittendrin steht der Bruder des Angeklagten André E., der in der Neonazi-Szene in Brandenburg aktiv ist. Er trägt Sonnenbrille und lässt sich mit unbewegtem Gesicht fotografieren. Direkt neben ihm steht Abbas Aslandogan von der türkischen Zeitung Aydilik. Er hat kein Los bekommen und wartet seit heute früh um viertel vor sechs vor dem Gericht und hofft, dass heute mehr passiert als nur wieder eine Schau anstelle einer richtigen Verhandlung. Dass aufgearbeitet werde, was hinter den Morden stehe und was mit den Materialien in den Behörden geschehen sei, sei gerade angesichts der engen Verbindung des Themas mit der deutschen Geschichte wichtig, sagt er. In der Türkei erwarteten die Menschen, dass die türkische Regierung mit der deutschen kooperiere. Auch türkische Parlamentarier nähmen heute an der Verhandlung teil. Er habe allerdings Zweifel an der Glaubwürdigkeit der türkischen Regierung, sagt der Journalist. Auch in der Türkei würden viele Morde, gerade an Intellektuellen und Schriftstellern, nicht aufgeklärt. Sie kämen nicht zur Anklage, weil die Behörden nicht dahinter stünden. Umso wichtiger sei - wie auch beim NSU-Prozess - eine große Öffentlichkeit. "Aber in der Türkei ist die Presse ein Dorn im Auge der Behörden."
7.26 Uhr:
Gerade ist Justizsprecherin Andreas Titz am Gericht eingetroffen. Es sei aufgrund der zu erwartenden Anträge fraglich, dass es heute zur Anklage kommt, sagt sie. Aus Sicht des Richters und des Senats sei es allerdings bislang nicht zu außergewöhnlichen Vorkommnissen gekommen. "Es hat sich nichts ereignet, was den Senat überrascht hat."
6.42 Uhr:
Die ersten Wartenden sind Journalisten, sie haben sich gegen 4.30 Uhr angestellt, um in den Verhandlungssaal zu kommen. Das Oberlandesgericht hatte 50 Presseplätze verlost. Wer keinen der sicheren Plätze auf der Empore erhalten hat, kann sich als Journalist natürlich als Zuschauer in den Gerichtssaal begeben, wenn er auf einen der 50 Zuschauerplätze eingelassen wird.
6.35 Uhr:
Guten Morgen. Das Oberlandesgericht in München erwacht gerade zum Leben. Etwa 20 Interessierte warten in der Reihe für die Zuschauer, die ersten Fernsehteams haben ihre Kameras aufgebaut. . . Die Situation ist völlig entspannt. Die Polizei hat um den Eingangsbereich Absperrgitter aufgestellt, derzeit herrscht aber kein Andrang.