München. Nach dem Auftakt des NSU-Prozesses hat ein türkischer Politiker das Oberlandesgericht in München aufgefordert, das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal zu entfernen. Das christliche Symbol stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaats dar, sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal. Das Kreuz sei zudem eine “Bedrohung“ für alle Nichtchristen, sagte er mit Blick auf die muslimischen Angehörigen der türkischen NSU-Opfer. Deshalb müsse das Kruzifix “sofort“ verschwinden.
Das Auftreten der Hauptangeklagten Beate Zschäpe zu Beginn des NSU-Prozesses ist bei Nebenklägern und türkischen Medien auf scharfe Kritik gestoßen. Zschäpes Auftritt im Gerichtssaal sei "selbstbewusst bis arrogant" gewesen, sagte der Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler der "Berliner Zeitung" vom Dienstag. Türkische Zeitungen warfen Zschäpe unter anderem "Frechheit" vor und kritisierten, sie habe sich in "Hitler-Pose" gezeigt.
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Zschäpe hatte vor Prozessbeginn am Montag mit verschränkten Armen minutenlang den anderen Beteiligten an dem Münchner Verfahren den Rücken zugewandt. "Sie schien sich im Glanz der Kameras zu sonnen und genoss es offenbar, im Mittelpunkt zu stehen", sagte Daimagüler, der im Prozess um die Verbrechensserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zwei Opferfamilien vertritt.
Türkische Blätter berichteten in großer Aufmachung über den Prozessauftakt. Die Zeitung "Hürriyet" schrieb, der Verhandlungssaal sei zur Bühne für eine "Show" Zschäpes geworden. In der Zeitung "Habertürk" hieß es, die "Nazi-Braut" Zschäpe habe sich in "Hitler-Pose" gezeigt.
Die regierungsnahe Zeitung "Sabah" vermerkte, dass Zschäpe im Gerichtssaal Kaugummi gekaut und mit ihren Anwälten gescherzt habe. Die Angehörigen der acht türkischen Mordopfer des NSU hätten den Auftritt teilweise zitternd verfolgt. In der Zeitung "Yeni Safak" war von einer "Frechheit" der Angeklagten die Rede.
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Türkischer Politiker gegen Kruzifix in Münchener Gericht
Ein bei der Prozesseröffnung anwesender türkischer Politiker forderte derweil das Oberlandesgericht München auf, das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal zu entfernen. Das christliche Symbol stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaats dar, sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal laut Presseberichten. Das Kreuz sei zudem eine "Bedrohung" für alle Nichtchristen, sagte er mit Blick auf die muslimischen Angehörigen der türkischen NSU-Opfer. Tanal gehört der säkularen Oppositionspartei CHP an.
Tanal gehört der säkularen Oppositionspartei CHP an und war Mitglied der sechsköpfigen Parlamentarierdelegation aus Ankara, die bei der Prozesseröffnung am Montag im Gerichtssaal anwesend war. Der Politiker bekräftigte den in der Türkei bereits zuvor erhobenen Verdacht, dass der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund von Kräften im deutschen Staatsapparat unterstützt worden sei.
Auftakt zum NSU-Prozess
Wenn eine Bande in verschiedenen Städten Deutschlands mit ein und derselben Waffe acht Türken und einen Griechen ermorden könne, ohne entdeckt zu werden, dann bedeute dies, "dass dahinter staatliche Kräfte stehen", sagte Tanal. Ohne den Schutz durch Kräfte im deutschen Sicherheitsapparat hätte der NSU die Verbrechensserie nicht so ungestört begehen können, fügte er hinzu.
Vertagung von NSU-Prozess auf 14. Mai
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte eine gründliche Aufklärung der Verbindungen von V-Leuten zu rechtsradikalen und rassistischen Gruppen. Wenn in dem Prozess die Schuldigen verurteilt würden, werde das schon die Ehre der Opferfamilien retten, sagte er dem Sender n-tv. Zugleich müsse der NSU-Untersuchungsausschuss seine Arbeit auch nach der Bundestagswahl im Herbst fortsetzen, "um diese Verquickungen der Sicherheitsbehörden an das Tageslicht zu bringen".
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Im NSU-Prozess, der am Montag nach zwei Befangenheitsanträgen von Verteidigern auf den 14. Mai vertagt wurde, muss sich Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden verantworten. Die Hauptangeklagte will ihren Verteidigern zufolge vor Gericht schweigen. Zschäpes Anwältin Anja Sturm sagte dem Sender N24, es werde "sicherlich noch die ein oder andere prozessuale Frage und damit verbundene Anträge geben, die auch vor Verlesung einer Anklage erörtert werden müssen". Daher würden sich auch der nächste oder die beiden nächsten Verhandlungstage "eher zäh gestalten".
Den vier Mitangeklagten Zschäpes wird in dem Prozess Unterstützung des jahrelang unentdeckten NSU beziehungsweise Beihilfe zu dessen Taten vorgeworfen. Die Zelle soll in den Jahren 2000 bis 2007 acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine deutsche Polizistin ermordet haben. (afp)