Rom. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat am Mittwochmittag den linken Politiker Enrico Letta (46) zum neuen Regierungschef ernannt. Er habe diese Einsetzung unter Vorbehalt angenommen, sagte Letta nach einem Gespräch mit Napolitano.

Der sozialdemokratische Politiker Enrico Letta ist vom italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt worden. Das gab das Präsidialamt in Rom am Mittwoch bekannt.

Der 46-jährige Letta, stellvertretender Vorsitzender der Demokratischen Partei (DP), muss nun versuchen, den seit der Parlamentswahl vor zwei Monaten andauernden politischen Stillstand im Land zu beenden.

Enrico Letta will am Donnerstag Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung aufnehmen. Diese komme aber nur zustande, wenn die Bedingungen dafür stimmten, sagte der neue Regierungschef am Mittwoch in Rom. Er werde keine Regierung "um jeden Preis bilden".

Italienische Politik muss Glaubwürdigkeit zurückgewinnen

Letta betonte, dass die europäische Wirtschaftspolitik zu stark auf das Sparen ausgerichtet sei. Zudem mahnte er eine Reform des Wahlsystems in seinem Land an. Die politischen Kräfte müssten die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, um die Krise des hoch verschuldeten Euro-Landes zu bewältigen.

Es wurde erwartet, dass die neue Regierung getragen wird von der Mitte-Links-Partei PD, der Partei Volk der Freiheit des Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dem Bündnis Bürgerliche Wahl des bisherigen Regierungschefs Mario Monti. PD-Vize-Chef Letta ist der Neffe von Berlusconis langjährigem Stabschef Gianni Letta.

Wer ist Enrico Letta?

Der 46-Jährige gilt als umsichtig und moderat. Trotz seines für Italiens Führungselite recht geringen Alters - Staatspräsident Giorgio Napolitano ist 87 - blickt Letta bereits auf umfangreiche politische Erfahrung zurück.

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In einer ersten Stellungnahme nach seinem Gespräch mit Napolitano am Mittwoch kritisierte er die europäische Sparpolitik zur Bekämpfung der Eurokrise und kündigte an, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die politische Lage des Landes beschrieb Letta als "sehr schwierig". Schließlich warte Italien bereits seit 60 Tagen auf eine neue Regierung.

1966 in Pisa zur Welt gekommen, studierte Letta in seiner Heimatstadt Politikwissenschaften und internationales Recht. Seine erste politische Rede hielt er nach eigenen Angaben in seiner Studienzeit auf einer Demonstration gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan.

In den 1990er-Jahren war Letta Vorsitzender der Jungen Christdemokraten. Mit Anfang 30 machte ihn der damalige Regierungschef Massimo d'Alema 1998 zum Minister für Europäische Angelegenheiten. Ein Jahr später übernahm Letta das Industrieressort.

2004 wurde Letta ins Europaparlament gewählt und vertrat dort das Mitte-Links-Bündnis L'Ulivo. Bereits 2006 kehrte er jedoch in die italienische Politik zurück und übernahm einen hohen Staatssekretärsposten in der Regierung von Romano Prodi. Die gleiche Position hatte unmittelbar zuvor sein Onkel Gianni Letta unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi inne gehabt.

Letta ist bereit mit Berlusconis Partei zu koalieren

Gianni Letta ist ein Vertrauter Berlusconis. Die Verwandtschaft könnte es seinem Neffen möglicherweise erleichtern, mit Berlusconis konservativer Partei Volk der Freiheit (PdL) eine Koalition zu schmieden. Seine grundsätzliche Bereitschaft zu einem solchen Bündnis hat Enrico Letta bereits kundgetan, auch wenn er in der Vergangenheit Berlusconi deutlich kritisierte. In seiner eigenen Partei ist Letta durch die Rücktrittserklärung von PD-Chef Pier Luigi Bersani faktisch an die Spitze gerückt.

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Letta hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eins trägt den Titel: "Eine Kathedrale bauen - warum Italien wieder groß denken muss". Der dreifache Vater, der zum zweiten Mal verheiratet ist, beschreibt sich selbst als "post-ideologisch". In moralischen Fragen vertritt der Katholik eher konservative Ansichten, in wirtschaftlichen Fragen gilt er als gemäßigt. Wie seine gesamte Partei unterstützte Letta die Expertenregierung von Mario Monti und deren Reformen.

Letta, der privat gern Musik der britischen Rockband Dire Straits hört, nennt die Friedensnobelpreisträger Lech Walesa aus Polen und Nelson Mandela aus Südafrika als Vorbilder. Der Wochenzeitung "Corriere della Sera" vertraute er im vergangenen Jahr zudem an, er wäre gern wie der italienische Comic-Held Dylan Dog: "intelligent und von den Frauen umworben".(dpa/afp)