Düsseldorf. Der NRW-Landtag beleuchtet die Rolle der so genannten Markscheider. Sie fertigen Karten von Bergbaugebieten und liefern wichtige Erkenntnisse für die Beurteilung von Streitfällen. Pikant ist: Diese Experten sind Angestellte der RAG.
Wenn plötzlich die Badezimmerfliese reißt, die Fassade bröckelt oder Furchen im Fußboden klaffen, gibt es in Nordrhein-Westfalen ein über viele Jahre eingeübtes Verfahren. Der RAG-Konzern nimmt solche Schadensmeldungen entgegen, von denen es 35 000 bis 40 000 pro Jahr gibt.
In der Regel begleicht das Unternehmen die Reparaturkosten und kommt für das problematische Langzeiterbe der Kohleförderung auf. Einige wenige Streitfälle betroffener Eigentümer aus Duisburg, Kamp-Lintfort, Bergkamen, Moers und Dorsten bringen nun allerdings die Landespolitik dazu, die RAG-Schadensregulierung erstmals kritisch zu hinterfragen.
Sind die Markscheider unabhängig?
Im Zentrum der Debatte, die am Freitag zu einer Experten-Anhörung im Landtag führte, stehen die Markscheider. Diese fertigen Karten an, in denen Erdspalten und Geländeabrisse eingetragen werden. So wird der „Einwirkungsbereich“ des Bergbaus geografisch eingekreist.
Die Markscheider haben formal mit der Schadensregulierung für Hausbesitzer nichts zu tun, liefern aber mit ihren Karten eine wichtige Geschäftsgrundlage.
Ihre Eintragungen „stellen eine gewisse Erleichterung für Schadensbetroffene dar“, wie es das NRW-Wirtschaftsministerium formuliert. Dass die Markscheider in der Regel Angestellte der RAG sind, nährt im Landtag nun die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit.
Stehen viele Hausbesitzer von vornherein auf verlorenem Posten?
Die Landesregierung sei verpflichtet, „durch eine Verbesserung der Aufsicht und durch mehr Transparenz für eine Stärkung der Betroffenen zu sorgen“, sagte CDU-Fraktionsvize Josef Hovenjürgen.
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Der Halterner Politiker vermutet, dass viele Hauseigentümer die Schadensersatzzahlungen der RAG nur akzeptierten, weil sie einen teuren Rechtsstreit fürchteten. Andere stünden von vornherein auf verlorenem Posten, weil sich gegen die Karten der Markscheider nur schwer argumentieren lasse.
Auch die Grünen sehen Reformbedarf: „Das bisherige Bergrecht schränkt die Rechte der Betroffenen im Fall von Schäden zu stark ein“, erklärte die Abgeordnete Gudrun Zentis. Die SPD und Wirtschaftsminister Garrelt Duin wollen erstmals die Rolle der Markscheider überprüfen und eine Reform des Bundesbergrechts anschieben.
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Der Bundesverband bergbauunabhängiger Fachleute (BBUF) fordert, dass nicht mehr RAG-Angestellte die Karten fertigen, sondern unabhängige Beamte. Die gütliche Einigung mit den Hausbesitzern ist demnach zwar die Regel. „Es verbleibt gleichwohl eine Anzahl von Fällen, bei denen das Grubenbild als Voraussetzung für eine Bergschadensregulierung als Beweismittel von Bedeutung ist“, so die unabhängigen Experten.
Die Fachaufsicht, die bei der Bezirksregierung Arnsberg liegt, funktioniere nicht. BBUF-Vorsitzender Peter Immekus berichtete von Ortsterminen, bei denen RAG-Mitarbeiter und Vertreter der Bezirksregierung „offensichtliche Bergschäden“ einträchtig leugneten. Den Verdacht einer gewachsenen Nähe zwischen Unternehmen und Arnsberger Bergaufsicht hegt auch CDU-Mann Hovenjürgen.
Der RAG-Konzern sieht kein Problem in der Rolle der Markscheider
Die RAG betonte dagegen die „Weisungsfreiheit“ ihrer Markscheider und die Ferne zum Unternehmensbereich der Schadensregulierung. Der Rechtsanwalt Martin Beckmann führte aus, dass die Tätigkeit der Markscheider gar keine wirtschaftliche Unabhängigkeit voraussetze, da die Begutachtung von Bergschäden ohnehin nicht deren Aufgabe sei.
Den Verein „Bürger gegen Bergschäden“ beruhigen solche Einschätzungen kaum. Er fordert einen „Pool von Sachverständigen“ bei der Landesregierung, der in Streitfällen zwischen RAG und Hausbesitzern vermitteln kann.
Im nordrhein-westfälischen Landtag zeichnete sich eine deutliche Mehrheit für die Besserstellung der Bergbauopfer ab, auch wenn nicht jeder so deutlich formuliert wie Dietmar Brockes (FDP): „Solange Markscheider abhängig bei der RAG beschäftigt sind, besteht immer der böse Schein der Parteinahme für den Arbeitgeber.“