Essen/Hagen. Einbrüche im Erdreich sind in Nordrhein-Westfalen keine Seltenheit. Zumeist sind sie harm- und folgenlos, mitunter enden sie in der Katastrophe. Schuld ist häufig der Bergbau. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Tagebrüche.
Am 31. Januar stürzt ein junger Hagener beinahe in ein 15 Meter tiefes Loch. Nur knapp kann er sich retten. Im Dezember 2012 müssen in Witten über drei Millionen Liter Beton in Hohlräume unter dem Sportplatz gegossen werden. Das Gebiet droht abzusacken. Immer wieder bilden sich in NRW Risse und Krater im Erdreich. Immer wieder stehen die Bürger vor den gleichen Fragen.
Was ist ein Tagesbruch?
Tagesbrüche entstehen, wenn unterirdische Hohlräume dem Druck von oben nicht mehr standhalten und in sich zusammenfallen. Dann bilden sich plötzlich Krater. Häufig so klein, dass sie niemandem auffallen. Manchmal groß genug, um ein Haus zu verschlucken.
Was sind die Auslöser?
Ursache ist in den meisten Fällen der Bergbau. Häufig wurden verlassene Schächte und Stollen nur unzureichend oder gar nicht wieder aufgefüllt. Ist der Druck zu hoch, bricht die Erde ein. Gefährlich sind dabei vor allem Hohlräume dicht unter der Oberfläche. Im Tiefbau sind bereits nach wenigen Jahren keine Absenkungen mehr zu erwarten, da der Überlagerungsdruck derart stark ist, dass Hohlräume einfach zusammengedrückt werden.
Aber auch auf anderem Wege können Hohlräume entstehen. Etwa wenn sich Kalkstein aus dem Boden löst (Verkarstung) oder Salzstein ausgewaschen wird (Auslaugung).
Woher kommt der Begriff „Tagesbruch“?
In der Bergmannssprache bezeichnet „Tag“ die Erdoberfläche, die dem Tageslicht ausgesetzt ist. Bei einem Tagesbruch ist der Einsturz eines Stollens auch überirdisch, also am Tag, zu erkennen.
Wie viele Tagesbrüche gibt es jedes Jahr in Nordrhein-Westfalen?
Allein im vergangenen Jahr gab es 163 Tagesbrüche in NRW. Das „Rekordjahr“ seit Beginn der Aufzeichnung 1986 ist 2001. Damals kam es zu 174 Tagesbruchereignissen.
Zu den spektakulären Fällen im Ruhrgebiet gehört zum Beispiel der Tagesbruch auf der A 45 im Januar 2012. Anfang 2000 bedrohte ein Krater in Bochum-Höntrop sogar eine ganze Siedlung. Zwei Garagen und ein Auto verschwanden in der Tiefe. Häufig bleiben Risse und Krater im Boden jedoch unbemerkt und gefahrlos, weil sie in abgelegenen Gegenden und unbewohnten Regionen auftreten.
Wie groß ist die Gefahr von Tagesbrüchen in NRW?
Schätzungsweise über 60.000 verlassene Tagesöffnungen des Bergbaus gibt es in NRW, also Schächte, Lichtlöcher oder Stolleneingänge. „Bei einer Vielzahl dieser verlassenen Tagesöffnungen des Bergbaus ist von einer ständigen Gefährdung für die Tagesoberfläche auszugehen. Bei einer mangelhaften Sicherung erhöht sich in jedem Einzelfall im Lauf der Zeit die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts“, erläutert Dezernent Peter Hogrebe, einer der für Altbergbau zuständigen Dezernenten bei der Bezirksregierung Arnsberg.
Gefahrenbeseitigung wird noch Jahrzehnte dauern
Wo kann ich mich über Tagesbrüche informieren?
Die erste Anlaufstelle für Betroffene und Interessierte ist die Bezirksregierung Arnsberg. Sie kann unter anderem feststellen, welche Bergbauaktivität in einer Region vorliegen. Auf ihrer Internetseite zeigt zudem eine interaktive Karte die „Gefährdungspotenziale des Untergrunds“. In einer kostenlos verfügbaren Fassung gibt die Karte bis auf einen Kilometer genau mögliche Hohlräume im Erdreich an.
Zu sehen sind nicht nur Bergbauschächte sondern auch natürliche Aushöhlungen, die etwa durch Auswaschung oder Gasbildung entstehen. Zur Wahrung des Datenschutzes gibt es genauere Angaben nur auf Anfrage und unter Nachweis des berechtigten Interesses.
Was wird gegen die Gefahr von Tagesbrüchen unternommen?
Anfang des neuen Jahrtausend hat die zuständige Bergbehörde in Dortmund ein Präventivprogramm aufgelegt. Ziel ist es, der Gefahr durch Tagesbrüche nicht einfach ausgeliefert zu sein, sondern schon vor einem solchen Ereignis entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. "Für die Beseitigung von altbergbaubedingten Gefährdungssituationen fließen seitdem jährlich bis zu fünf Millionen Euro Haushaltsmittel des Landes NRW", teilt die Bezirksregierung mit.
Seit Anfang 2011 gibt es für verlassene Bergbauschächte zudem ein so genanntes „Risikomanagementsystem“. „Das System ermöglicht planmäßige präventive Untersuchungs- und Sicherungsmaßnahmen“, erklärt Heinz-Roland Neumann, Dezernent bei der Bezirksregierung.
Wie lange muss noch mit weiteren Tagesbrüchen in NRW gerechnet werden?
„Die Beseitigung der möglichen Gefährdungsstellen kann nur sukzessiv erfolgen. Die Untersuc hung und gegebenenfalls Sicherung wird ganz sicher noch mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen“, prognostiziert Dezernent Neumann. „Der Bearbeitungsfortschritt ist letztendlich abhängig davon, wie viel Personal und Finanzressourcen der Bergbehörde zur Verfügung stehen“, betont er.
Tagesbruch in Hagen