München. Ein Anwalt aus Hessen will erfahren haben, dass ein türkischer Staatsangehöriger eine Waffe in den Gerichtssaal schmuggeln will. Ermittler prüfen den Hinweis - verweisen aber auf die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen für den NSU-Prozess. Im Streit um die Vergabe von Presseplätzen sieht sich die Justiz zu Unrecht am Pranger.
Die Polizei nimmt die Gerüchte über Anschlagspläne auf die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe während des Münchner NSU-Prozesses ernst. Die Mitteilung eines Anwalts aus Hessen, wonach ein türkischer Staatsangehöriger eine Waffe mit in den Gerichtssaal schmuggeln will, werde genau analysiert, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Anschließend werde man "in aller Ruhe die nötigen Entscheidungen" treffen.
Der Polizeisprecher verwies darauf, dass die Sicherheitsvorkehrungen für den Mitte nächster Woche beginnenden Prozess bereits allgemein sehr hoch seien. Über Details werde aus Sicherheitsgründen nichts bekanntgegeben. Zschäpe muss sich vom 17. April an vor dem Oberlandesgericht verantworten. Angeklagt sind zudem vier mutmaßliche NSU-Helfer. Dem NSU werden Morde an neun ausländischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin angelastet.
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Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zeigte sich wegen der Anschlagsgerüchte besorgt - wenn auch aus anderen Gründen: "Ein erhöhtes Risiko für einen rechtsterroristischen Anschlag in Deutschland ist nicht von der Hand zu weisen", sagte KRM-Sprecher Aiman Mazyek. Zuletzt hätten schon die Intervalle der Anschläge auf Moscheegemeinden und Übergriffe auf Muslime deutlich zugenommen.
Muslime wünschen sich festen Sitzplatz bei der Verhandlung
Zugleich forderte Mazyek einen festen Sitzplatz im Verhandlungsraum des Oberlandesgerichts für den KRM. Es sei "eine Selbstverständlichkeit", dass auch der Koordinierungsrat einen Platz im Gericht erhalte. Mazyek nannte es "sinnvoll", wenn türkische Medienvertreter und der Botschafter des Landes zugelassen werden, um dem Eindruck zu widersprechen, das Gericht habe etwas zu verbergen. Der KRM ist der Spitzenverband der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland. Dazu gehören auch die dem türkischen Staat nahestehende Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) sowie der Zentralrat der Muslime.
Grünen-Chefin Claudia Roth warf dem Gericht vor, außenpolitischen Schaden angerichtet zu haben. Die Rahmenbedingungen des Prozesses sorgten in der Türkei für "erhebliche Irritationen". Länder, in denen die Opfer der Terroristen ihre Wurzeln hätten, müssten den Prozess verfolgen können, forderte sie. "Es muss Transparenz hergestellt werden." Bei Verfahren in der Türkei gegen Schriftsteller oder kurdische Abgeordnete sei stets gewährleistet gewesen, dass ausländische Prozessbeobachter teilnehmen durften.
Justiz sieht sich zu Unrecht am Pranger
Der Konflikt um die Presseplätze für türkische Medien beim Münchner NSU-Prozess löst in der Justiz zunehmend Ärger aus. Der Deutsche Richterbund sprang am Montag dem Oberlandesgericht (OLG) München bei und verwahrte sich gegen populistische Kritik aus Politik und Medien. Die Anwürfe gegen ein unabhängiges deutsches Gericht hätten eine Qualität erreicht, die "nicht mehr hinnehmbar" sei, kritisierte der Richterbund-Vorsitzende Christoph Frank.
Bei der Vergabe der Presseplätze waren türkische Medien leer ausgegangen, weil sie sich zu spät akkreditiert hatten. Mittlerweile hat die türkische Zeitung "Sabah" Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Auch deutsche Journalisten haben mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Münchner Akkreditierungsverfahren gedroht.
Gericht sieht keinen Anlass für Änderungen
Das OLG sieht offenkundig keinen Anlass zu Änderungen. Die Beschwerde eines Karlsruher Pressebüros wurde am Montag abgewiesen, wie der betroffene Justizreporter Ulf Stuberger mitteilte. Er hatte sich dagegen gewandt, dass es bei Erkrankung eines Journalisten nicht möglich ist, einen Kollegen nachzunominieren. Stuberger kündigte Verfassungsbeschwerde an. Das OLG will zu Fragen der Akkreditierung bis auf weiteres nicht mehr öffentlich Stellung nehmen.
Der Richterbund attackierte nun die Kritiker: "Es geht nicht an, dass populistische Zwischenrufer in der Debatte den Eindruck erwecken, das Oberlandesgericht München sei eine nachgeordnete Behörde der Bundes- oder Landesregierung und müsse von dort eine klare Ansage bekommen", sagte Frank. Der Richterbund-Vorsitzende verwies auf das Prinzip der Gewaltenteilung. "Für die Organisation des NSU-Prozesses ist allein das OLG München verantwortlich." Der Richterbund ist nach eigenen Angaben mit 15 000 Mitgliedern der größte deutsche Berufsverband für Richter und Staatsanwälte. (dapd/dpa)