Berlin. . Wenn Zeugen per Kamera aussagen, spart das Zeit und Kosten, meint ein Rechtsexperte. Die zuständigen Ministerien erwarten einen verstärkten Einsatz der Technik in Zukunft, ein neues Gesetz zum Jahresende erleichtert dies. Doch würden dann Investitionen fällig.
Wie zur Beruhigung ruft uns Patrick Sensburg zum Schluss des Gesprächs hinterher, „wir werden keine Cyber-Gerichte bekommen“. Aber der CDU-Rechtsexperte glaubt, dass die Video-Technik vor einem Durchbruch in der Justiz steht. Kurze Wege, geringere Kosten, das sind die Vorteile. Ein Überblick:
Der Modernisierungsschub
Video-Konferenzen sind seit langem eine Option. Sie wurde aber wenig genutzt. Eine Ausnahme waren die Verfahren mit minderjährigen Opfern. Man hat sie getrennt von den Tätern befragt. Ein neues Gesetz, das zum Jahresende in Kraft tritt, macht den flächendeckenden Einsatz leichter. Bisher mussten sich alle Beteiligten einig sein, zukünftig können Gerichte nach schon auf Antrag nur einer Seite entscheiden.
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Die bisherige ISDN-(Telefon)-Technik war teuer und langsam. Die neue Technik wird Internet-basiert sein. Der Richter sitzt an seinem Laptop und kann sogar das Gesicht eines Zeugen heranzoomen. „Jeder, der mal Skype genutzt hat, weiß, wie gut die Bildqualität ist“, so Sensburg. Die Übertragung ist live, Aufzeichnungen sind verboten. Vor allem soll keine Aussage später bei „Youtube“ landen. Die Datennetze müssen also gesichert sein.
Der Gewinn
Sensburg konstruiert einen Fall: „Sie haben einen Zeugen, der sitzt in München und muss in Brilon aussagen. Dann muss er die Fahrtkosten erstattet kriegen, einen Tag Urlaub nehmen.“ Video spart Kosten. Der Jurist hofft, dass künftig mehr Zeugen gehört werden. „Es ist oft so, dass ein Gericht sagt, wir haben fünf Zeugen, die gesehen haben, was da passiert ist. Wir müssen nicht noch den sechsten Zeugen aus Hamburg hinzuziehen. Ich habe als Anwalt selbst erlebt: Der sechste Zeuge sah es doch anders.“
Die Praxisrelevanz
Kurze Wege – darum geht es. Man erspart sich Gefangenentransporte, wenn ein Häftling vernommen wird. Für Polizeibeamte, Dolmetscher und Sachverständige könnte der Aufwand verringert werden, wenn sie nicht vor Gericht erscheinen müssen. Kommt es auf den persönlichen Eindruck an, wird sich jeder Richter weiter gegen eine Video-Konferenz entscheiden. So ist etwa eine Gegenüberstellung manchmal wichtig.
Testfall „Echtbetrieb“
Das Justizministerium in Düsseldorf erwartet „eine Ausweitung der Videovernehmung“. Die Technik sollte für alle Gerichte interessant sind, am meisten für die Finanzgerichte, wo sich oft Beamte, Steuerberater und Anwälte nur beraten. Wie alltagstauglich das neue Gesetz ist, wird sich im „Echtbetrieb“ zeigen. In Düsseldorf wartet man ab, ob mit dem neuen Gesetz tatsächlich mehr Gerichte auf Video setzen wollen. Dann wären Investitionen fällig.
Mehr Investitionen
Wie viel eine technische Aufrüstung der Gerichte kosten würde, ist unklar. Bisher schlug eine Anlage mit 5000 bis 10 000 Euro zu Buche. Aber heute verfügt fast jedes Laptop über die Möglichkeit für Videokonferenzen – es wird billiger. Sensburg erwartet von NRW-Justizminister Thoma Kutschaty (SPD), dass er nicht nur auf die Oberlandesgerichte schaut, sondern auch kleine Amtsgerichte, etwa im Sauerland, ausstatten lässt.