Athen. Während die Regierung mit der Eurogruppe über das Rettungspaket verhandelt, wächst im Land die Unsicherheit: Am Geldautomaten gibt es nur noch 100 Euro am Tag. Und die Regierung hat sich in einem spektakulären Schritt den Zugriff auf alle Konten gesichert.

Bangen und Hoffnung auf Zypern: Das Schicksal der vom Staatsbankrott bedrohten Inselrepublik hing am Sonntag einmal mehr am seidenen Faden. Unter größtem Zeitdruck präsentierte die zyprische Regierung den Partnern in der Eurozone den Vorschlag, die Bankguthaben nun doch zur Rettung des Landes heranzuziehen.

Nachdem zunächst alle Einlagen belastet werden sollten, was auch die Kleinsparer getroffen hätte, wird jetzt diskutiert, nur Guthaben über 100.000 Euro, der in der EU garantierten Höhe, mit der Abgabe zu belegen. Im Gespräch ist ein Abzug von 20 Prozent auf Einlagen bei der Bank of Cyprus, dem größten Geldinstitut des Landes, das besonders viele Gelder ausländischer Kunden verwaltet, darun­ter Russen und Libanesen.

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Für Zypern ist das eine bittere Pille. Die Insel, die in der Vergangenheit fast die Hälfte ihres Bruttoinlandsprodukts mit Finanzdienstleistungen erzielte, dürfte als Finanzplatz ausgespielt haben, wenn es zu der Zwangsabgabe kommt. Die Alternative wäre aber die Staatspleite.

Den Banken geht es um den Erhalt der Restliquidität

Während am Sonntag in Brüssel über den Vorschlag verhandelt wur­de, kommen die Zyprer nach wie vor praktisch nicht an ihr Geld. Die Banken sind bereits den neunten Tag in Folge geschlossen. Und am Automaten gibt es höchstens 100 Euro am Tag.

Denn im Ringen um den Erhalt einer Restliquidität hatten die zyprischen Geldhäuser am Sonntagmittag die Abhebungsmöglichkeiten weiter eingeschränkt. Ein Sprecher von Zyperns zweitgrößtem Finanzinstitut Cyprus Popular Bank erklärte, man werde an dieser Grenze festhalten, bis die Banken wieder öffneten.

Am Freitag hatte das zyprische Parlament ein Gesetz über Kapitalverkehrskontrollen verabschiedet – der erste Fall dieser Art in der Geschichte der Währungsunion. Mit dem Gesetz versucht sich Zypern für einen möglichen Ansturm auf die Banken zu wappnen, wenn die Geldinstitute voraussichtlich am Dienstag wieder öffnen. Bankkunden könnten dann versuchen, ihre gesamten Guthaben abzuheben oder Gelder ins Ausland zu schaffen – mit der Gefahr, dass Zyperns Banken binnen weniger Stunden zusammenbrechen.

Das Gesetz ermächtigt den Finanzminister und die zyprische Notenbank, Barauszahlungen und Überweisungen zu reglementieren, die Eröffnung neuer Konten zu beschränken oder zu verbieten, fällige Festgelder zu verlängern und Girokonten in Termingelder umzuwandeln. Auch der Gebrauch von Kredit- und Bank­karten sowie Schecks kann eingeschränkt werden.

Die Regierung hat wohl freie Hand

Diese spektakuläre Maßnahme soll aber nicht nur einen „Bank Run“, also den Ansturm der Sparer auf die Banken, verhindern. Das Gesetz könnte der Regierung auch aus einer politischen Bredouille helfen: Nachdem das Parlament am vergangenen Dienstag die ursprünglich geplante Zwangsabgabe auf Bankguthaben abschmettert hatte, ist es fraglich, ob das Abgeordnetenhaus der Insel einem in Brüssel ausgehandelten Kompromiss, der erneut eine Kürzung der Einlagen per „Rasenmäher-Methode“ vorsehen dürfte, überhaupt zustimmt.

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Rechtsexperten in Zypern äußerten am Sonntag die Ansicht, mit dem bereits verabschiedeten Kontrollgesetz könne die Regierung eine solche Abgabe per Verordnung erheben, ohne neuerliche Zustimmung des Parlaments.

Die Möglichkeit, dass über ein mit der EU ausgehandeltes Rettungspaket gar nicht mehr im Parlament abgestimmt werden müsste, deutete am Sonntag auch Averof Neophytou an, der Vizechef der konservativen Regierungspartei Disy. Damit könnte die Regierung eine gefährliche Klippe bereits umschifft haben. (Mit Material von rtr)