Nairobi . Der international umstrittene Vizeregierungschef Uhuru Kenyatta ist zum Sieger der Präsidentenwahl in Kenia erklärt worden. Er forderte das Ausland auf, die Souveränität des ostafrikanischen Landes zu achten. Kenyattas unterlegener Rivale Raila Odinga kündigte derweil juristische Schritte wegen “massiver Wahlfälschung“ an.
Laut offiziellem Endergebnis entfielen auf den 51-jährigen Kenyatta 50,07 Prozent der Stimmen, wie der Vorsitzende der nationalen Wahlkommission, Isaac Hassan, am Samstagnachmittag (Ortszeit) mitteilte. Damit erreichte Kenyatta im ersten Wahlgang mit hauchdünner Mehrheit die absolute Mehrheit. Sein stärkster Konkurrent, der bisherige Premierminister Raila Odinga, kam auf etwas über 40 Prozent. Dieser will das Wahlergebnis jedoch nicht anerkennen und kündigte einen Gang vor den Obersten Gerichtshof des Landes an.
Am Freitagabend waren in dem bereits fast eine Woche dauernden Auszählungsmarathon nur noch sechs von 291 Wahlkreisen offen. Nachdem Kenyatta zwischenzeitlich unter die 50-Prozent-Marke gefallen war, gaben zum Schluss der Auszählung um zwei Uhr nachts die letzten beiden Wahlkreise den Ausschlag. Diese liegen beide in Stammwählergebieten von Kenyattas Jubilee-Koalition.
"Heute feiern wir den Triumph der Demokratie, den Triumph des Friedens und der nationalen Einheit", rief Kenyatta seinen Anhängern nach der amtlichen Bekanntgabe des Endergebnisses zu. Trotz vielfacher Bedenken der Welt habe man einen Grad politischer Reife an den Tag gelegt, der die Erwartungen übertroffen habe, zitierte ihn der TV-Sender CNN weiter.
Befürchtete Unruhen wie nach der Präsidentschaftswahl von 2007 blieben zunächst aus. Die kenianische Presse führte das am Sonntag auch auf Kenyattas beschwichtigendes Auftreten nach seinem Wahlsieg zurück. Kenyatta sagte bei seinem Auftritt in Nairobi: "Wir werden weiterhin mit allen Nationen und internationalen Einrichtungen zusammenarbeiten". Er verlangte jedoch zugleich - lautstark unterstützt von seinen Anhängern -, das Ausland solle "unsere Souveränität respektieren".
Zuvor hatte sich die Wahlkommission vor der Bekanntgabe des Endergebnisses noch Zeit erbeten, um mögliche Fehler bei der Auszählung auszuschließen. Trotzdem versammelten sich die Unterstützer Kenyattas bereits in der Nacht im ganzen Land und feierten ihren Kandidaten.
Odinga greift auch örtliche Medien an
Das Endergebnis will Odinga jedoch nicht so stehen lassen. Nach dessen Bekanntgabe sprach er von Unregelmäßigkeiten und erhob schwere Vorwürfe gegen die nationale Wahlkommission und örtliche Medien. "Ich wäre erfreut gewesen, nach fairen Wahlen meine Niederlage einzugestehen", gab Odinga bei einer Pressekonferenz in Nairobi zu Protokoll. Die Situation sei jedoch anders.
"Das hier sind erneut fehlerhafte Wahlen", spielte der Premierminister auf die umstrittene Abstimmung 2007 an. Damals hatte es erst nach blutigen Unruhen einen Kompromiss zwischen ihm und dem derzeit noch amtierenden Präsidenten Mwai Kibaki gegeben. Die Wahlkommission habe auch diesmal versagt, eine glaubhafte Wahl zu gewährleisten, erklärte Odinga. "Die Demokratie selbst steht nun vor Gericht".
Als Beleg für seine Vorwürfe gab der unterlegene Odinga an, die Wahlbeobachter seiner Partei hätten in einer Region des Landes in mindestens fünf von 15 Wahlbezirken mehr abgegebene Stimmen festgestellt, als dort Wähler registriert seien. Als die Parteiabgeordneten dagegen bei der nationalen Wahlkommission protestiert und schriftlich ihren Einwand erklärt hätten, seien sie aus dem Auszählungsraum geworfen worden.
Zudem warf Odinga den lokalen Medien eine Verschwörung vor. Seine Anhänger rief der noch amtierende Premier gleichzeitig zur Ruhe auf. Man werde den Rechtsweg beschreiten, kündigte er an. "Gewalt könnte diese Nation für immer zerstören".
Kenyatta gibt sich versöhnlich
Der zum Sieger erklärte Kenyatta gab sich in seiner Rede vor Anhängern indes versöhnlich. Er wolle mit allen unterlegenen Kandidaten zum Wohl des Landes zusammenarbeiten. "Ich brauche euch", erklärte Kenyatta. Odinga nannte er zudem seinen "älteren Bruder."
Kenyatta tritt nun wohl in die Fußstapfen seines Vaters Jomo Kenyatta, dem ersten kenianischen Staatspräsidenten. Kenyatta, einer der reichsten Männer Afrikas, ist ein Kikuyu und damit Angehöriger der größten Volksgruppe des Landes, deren Elite seit Jahrzehnten die Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft besetzt. Dagegen gehört Odinga zur Ethnie der Luo, deren Angehörige traditionell von der Macht im Land ferngenhalten werden.
Allerdings gilt Uhuru Kenyatta als umstritten: Nach der Präsidentschaftswahl im Dezember 2007 hatten sich sowohl Odinga als auch der jetzt aus dem Amt scheidende und damals von Kenyatta unterstützte Mwai Kibaki zum Staatschef erklärt. Bei der danach einsetzenden, auch ethnisch motivierten Gewalt wurden mehr als 1100 Menschen getötet und Hunderttausende in die Flucht getrieben. Kenyatta muss sich wegen seiner Rolle bei diesen Unruhen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Das Verfahren beginnt am 9. Juli.
Westerwelle gratuliert und ruft zu Ruhe auf
Sein Konkurrent Odinga hatte ihm in einer Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten vorgehalten, dass er das Land gegebenenfalls "per Skype" von Den Haag aus führen müsse.
Beobachter werteten das Votum für Kenyatta derweil als Zeichen für ein wachsendes Unbehagen über westliche Interventionen auf dem afrikanischen Kontinent. "Kenia hat eine klare Nachricht an den IStGH gesandt: 'Mischt euch nicht ein'", sagte etwa der Direktor der Denkfabrik ViewPoint Africa, Ayo Johnson, dem TV-Sender CNN.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle gratulierte derweil den Kenianern zur Wahl und rief sie zugleich zur Ruhe auf. Das Volk habe in "großer Würde und mit viel Geduld seine demokratischen Rechte wahrgenommen", sagte Westerwelle in Berlin. Zugleich mahnte der FDP-Politiker alle Kräfte Kenias zu einer besonnen Reaktion auf die Verkündung der Wahlergebnisse. Etwaige Beschwerden müssten auf dem dafür vorgesehenen Rechtsweg vorgebracht werden, betonte Westerwelle. (dapd / AFP)