Essen. Mit „Alternative“ und Freien Wählern wollen zwei eurokritische Parteien in den Bundestag. Sie wollen die euro-kritische Stimmung in der Bevölkerung ausnutzen. Dabei sind prominente Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsführer. Doch was in Italien geht, muss in Deutschland nicht funktionieren.

Es stimmt ja: Jedem zweiten Deutschen passt der Berliner Kurs in der Euro-Krise nicht. Den verschuldeten Staaten am Mittelmeer helfen? 54 Prozent sind dagegen. Rechte an die EU übertragen? Gerade 27 Prozent sagen hier laut Ja. 42 Prozent meinen: Es wird Zeit, dass Griechenland zur Drachme zurückkehrt.

Die Umfrage-Ergebnisse stammen aus dem Sommer 2012. Aber wenig spricht dafür, dass sich die Stimmung seither zugunsten der Rettung der Gemeinschaftswährung drehte. Sechs Monate vor der Bundestagswahl möchten Interessengruppen das nutzen: Sie wollen mit Anti-Euro-Parolen ins Parlament ziehen.

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Italien hat gezeigt, dass so etwas Chancen haben kann. Der TV-Komiker Beppe Grillo holte dort ein Drittel der Stimmen. Wer also sind die deutschen Grillos?

„Alternative für Deutschland“ nennen der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke, einst CDU-Mitglied, der Journalist Konrad Adam und der frühere hessische CDU-Staatssekretär Alexander Gauland ihre geplante Parteigründung. Das zentrale Ziel ist so formuliert: „Auflösung des Euro zugunsten nationaler Währungen oder kleinerer Währungsverbünde“.

Euro-Kritiker haben prominente Unterstützer

Sie haben dazu prominente Unterstützer aus den Reihen kritischer Wissenschaftler engagiert, die sich schon mit Klagen gegen die Euro-Rettung vor dem Bundesverfassungsgericht einen Namen gemacht haben: Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel und Karl Albrecht Schachtschneider sind dabei. Ex-Manager schließen sich an wie der frühere Thyssen-Chef Dieter Spethmann oder der ehemalige Industriepräsident und heutige Bestseller-Autor Hans-Olaf Henkel.

Eine erste Resonanz wollen sie am Abend des 11. März testen – dann gibt es eine Versammlung in der Stadthalle von Oberursel.

Eine andere Politik

Auch die „Freien Wähler“, deren Basis weiter südlich in Bayern liegt, setzen auf die Euroskepsis in Teilen der bundesweiten Wählerschaft. Ihr Chef, Hubert Aiwanger, begründet die Ausdehnung seiner Partei in die Bundesszene: „Wir wollen eine andere Politik.“

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Stephan Wehrhahn, Enkel Konrad Adenauers, ist Aiwangers Speerspitze in Sachen Währung: „Die Bürger werden bei zentralen Fragen mit dramatischen Folgen gar nicht gefragt“, sagt Wehrhahn. Die Freien Wähler werden eine Volksabstimmung über den Euro fordern – ein zentrales Kampagnenthema für die Bundestagswahl.

Doch kann in Deutschland gehen, was in Italien oder – seit dem Wochenende – in den österreichischen Bundesländern Kärnten und Niederösterreich dem Anschein nach gut funktioniert?

Tatsächlich setzen die Euro-Gegner mehr auf das behauptete, leicht eingängige „Demokratie-Defizit“. Sie beklagen „Rechtsbrüche“ beim Maastricht-Abkommen und meiden komplexe Debatten über die Wirksamkeit des Rettungsschirms. Auch greift zumindest die „Alternative für Deutschland“ die europäische Idee selbst nicht an. Zum Abend in Oberursel lädt sie unter der versöhnlichen Zeile ein: „Damit Europa nicht am Euro scheitert.“

„Die Ansätze sind gescheitert“

Aiwangers „Freie Wähler“ sehen europäische Fragen dagegen praktisch: Darf die EU bei der Wasserversorgung mitreden, das Trinkwasser in die Hände internationaler Multis geben? „Das lassen sich die Leute nicht gefallen. Dann geht die Republik auf die Barrikaden“, droht der Bundesvorsitzende.

Gerd Langguth, anerkannter Parteienforscher an der Universität Bonn, ist sehr vorsichtig, was die Wahlaussichten solcher Parteien betrifft: „Bis jetzt“, sagt er, „sind alle diese Ansätze gescheitert.“ Und auch eine andere Annahme will er nicht unterschreiben – die, das Neugründungen vom konservativen Rand her den Unionsparteien wahlentscheidende Prozentpunkte wegnehmen könnten.

Langguths Position ist gerade erst bei der Niedersachsen-Wahl bestätigt worden. Bernd Luckes „Alternative“, die dort noch nicht als selbstständige Partei antrat, un­terstützte vor Ort die „Freien Wähler“. Gemeinsam sind sie gescheitert.