Brüssel. . Der Euro ist nicht stabil – also muss der Währungsraum aufgespalten werden in einen Nord- und einen Süd-Euro. Mit solchen Thesen wirbt Ex-Manager Hans-Olaf Henkel nun auch in Brüssel. Kurz vor dem Start des Euro-Gipfels traft der frühere BDI-Chef in der EU-Hauptstadt auf - auf Einladung einer eurokritischen Stiftung.

Das Europa von Hans-Olaf Henkel kommt in Brüssel an diesem Abend sehr gut an. In Nord und Süd geteilt ist das Europa, das sich der Ex-Chef des deutschen Industrieverbands BDI und bekennende Euro-Skeptiker wünscht – und kurz vor dem EU-Krisengipfel unter dem Motto „Es gibt eine Alternative“ erläutert. Den Raum gewährt ihm eine eurokritische Stiftung, deren Schirmherrin die britische Ex-Regierungschefin Margaret Thatcher ist.

Im Norden, sagt Henkel, da wirtschaften Deutsche mit Niederländern und Finnen, nach strengen Haushaltsregeln und dem Schuldenmachen eher abgeneigt. Im Süden haben sich Italien, Portugal, Griechenland und, ja, auch Frankreich geeint. Die südlichen Staaten wirtschaften in Henkels Europa laxer als die Nordeuropäer und schwören eventuell auch auf Euro-Bonds, also auf gemeinsames Schuldenmachen.

Der Süden müsste seine Währung abwerten

Selbstverständlich haben die Nordeuropäer, die den Euro-Währungsraum verlassen haben, bei Hans-Olaf Henkel ihre eigene stabile Währung. Die Südeuropäer nutzen eine andere Währung. Und haben diese abgewertet, um im Wettbewerb mit den Nordländern dank günstigerer Produktions- und Arbeitskosten mithalten zu können.

Doch ach, dieses Europa ist ein ferner Traum in diesen Tagen, in denen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre europäischen Amtskollegen um Auswege aus der Staatsschuldenkrise ringen. Sie wählen eher, wie Henkel bedauernd feststellt, den Weg in Richtung „Mehr Europa“.

Das ist aus Sicht des umtriebigen Buchautors ein fataler Fehler. „Wir bekommen ein zentralisiertes bürokratisches Europa“, sagt er in fließendem Englisch. „Wir formen Europa nach den Anforderungen einer Währung, eigentlich sollte es genau andersherum sein.“ Eifriges Nicken im Publikum, das gern zustimmend raunt und nickt während Henkels einstündigen Vortrags. „Was absolut übersehen wird: Der Euro ist zum Problem geworden.“ Es wird noch eifriger genickt.

Henkel begeisterte sich für den Euro – früher

Für Henkel wirkt der Euro in Europa wie ein Spaltpilz. Er schmälert zum Beispiel den bisher guten Ruf der Deutschen. „Der Euro verursacht Chaos“, diesen Satz streut der Ex-Manager mehrfach in seine Rede ein. Dabei war er, bekennt Henkel, anfänglich ein Euro-Begeisterter. Er änderte aber seine Meinung. Als Politiker auch aus Deutschland wiederholt und ungestraft die Euro-Regeln brachen.

„Der erste Sündenfall war es, Griechenland in den Euro-Währungsraum zu lassen“, wettert Henkel. „Endgültig verlor ich aber die Geduld, als Merkel im Mai 2010 auf Druck von Frankreich die Brandschutzmauer zwischen den deutschen Steuerzahlern und den Euro-Ländern einriss.“ Anders gesagt: Als Deutschland und die anderen Euro-Staaten angesichts der drohenden Pleite Griechenlands beschlossen, es mit Notkrediten aus seiner Misere herauszupauken. „Uns wurde eine Währungsunion versprochen, gelandet sind wir in einer Transferunion.“

Der Vortragende ist gut gewandet, gut gebräunt

Den deutschen Steuerzahlern stehe eine Inflation ins Haus, also eine Geldentwertung. Und Vermögende müssten höhere Steuern fürchten, damit Staaten ihre Schuldenberge abtragen könnten. Würde Griechenland aus dem Euro-Raum rausgeschmissen, drohe auch in anderen Staaten ein Bürgeransturm auf die Banken, um Erspartes abzuheben. Vor so einem Chaos graust es den gut gewandeten und gut gebräunten Henkel. Daher lautet seine Alternative: Die Euro-Währungsunion aufspalten in Nord und Süd.

Sein klarer und mit einprägsamen Schlagworten gespickter Vortrag gefällt dem Publikum an diesem Brüsseler Herbstabend. „Beeindruckend“, sagt ein belgischer Zuhörer zu seinem Bekannten. Ein älterer Brite lobt Henkel: „Das war eine sehr sehr interessante Rede.“ Der belgische EU-Abgeordnete und Euro-Skeptiker Derk-Jan Eppink spricht das Schlusswort: „Henkels Worte sollten im EU-Parlament ertönen; dort hört man leider nur ‘Mehr Europa’.“

Henkel genießt all das Lob sichtlich. Hier in Brüssel kann er hemmungslos mit seiner angeblichen Rolle als Meinungs-Außenseiter kokettieren. In Deutschland müsse er viel Kritik einstecken und werde in die rechte Ecke gedrängt, klagt Henkel. Da müsse er vor jedem Vortrag erst einmal erklären, dass er ein „hingebungsvoller Europäer“ sei und Europa „liebe“.

Die Probleme einer Teilung verschweigt Henkel

Doch Henkels Vortrag hat große Schwachstellen. Er wälzt beifallheischend und teils plump seine Kritik am Euro-System, diesem „System der organisierten Unverantwortlichkeit“ aus. Viel weniger Raum räumt Henkel seiner Alternative ein. So muss er nur die großen Linien für die Aufspaltung des Euro-Raums vorgeben. Doch die Welt ist nicht nur schwarz und weiß. Und auch der Weg hin zu einer Teilung der Eurozone wäre gespickt mit Risiken, Problemen, Verwerfungen und Tumulten.

Nuancen würden jedoch nur stören an diesem Abend in Brüssel so kurz vor dem nächsten EU-Krisengipfel, der vielleicht auch nicht den seit Monaten ersehnten Befreiungsschlag bringt. Henkels eher euroskeptische Zuhörer können sich im Konferenzraum eines luxuriösen Traditionshotels einen Abend lang in der Mehrheit wähnen. Henkel selbst kann sich in ihrer Zustimmung sonnen. Und alle können sich für einen Abend der Illusion hingeben, dass die Lösung der europäischen Schuldenkrise eigentlich ganz einfach ist.