Berlin. .

Der Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel poltert in der Euro-Debatte dazwischen: In seinem jüngsten Buch nennt er die Euro-Einführung als seinen größten Irrtum und tritt für eine Teilung der Eurozone ein. Gleichzeitig verbrüdert er sich mit Sarrazin gegen die Politik.

Dass Politiker oder Industrie-Manager, die oft und gerne in Talkshows sitzen, Fehleinschätzungen zugeben, ist eher selten. Angesichts der fortschreitenden Euro-Krise meint Hans-Olaf Henkel diese Tage jedoch, ein Schuldeingeständnis liefern zu müssen: Er, ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), habe sich geirrt. So schrecklich geirrt, dass er sogar von der größten Fehleinschätzung seiner Karriere spricht: Er unterstützte einst die Einführung des Euro, hat an dessen Vorteile geglaubt, den Sicherungssystemen vertraut.

Sarrazin in Duisburg

weitere Videos

    Heute, so Henkel, entwickle sich die Gemeinschaftswährung gerade für die Bundesrepublik zum GAU. Das hätten die Deutschen nur noch nicht bemerkt. Er aber, und deshalb hat der 70-Jährige auch eine Lösung parat: Die Währungsunion müsse aufgeteilt werden, plädiert er in seinem neuen Buch „Rettet unser Geld“, dass Henkel mit Unterstützung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Mittwoch in Berlin vorstellte: In eine disziplinierte Nord-Gruppe unter Führung Deutschlands, und eine ausgabenfreudige Süd-Gruppe, in der er die „Olivenländer“ Europas sieht.

    Henkel ätzt gegen die Bundesregierung

    Andernfalls, so Henkel, müssten die Deutschen weiterhin für die Rettung angeknackster Staaten wie bald Spanien und Portugal bluten. Die EU werde zur Verteilungsgemeinschaft, bei der es nur noch darauf ankomme, wer dem anderen das meiste abknöpfe. Deutschland, das „sich so gern ausnehmen“ lasse, werde in der Konsequenz seine Rolle als „Fels in der Brandung“ einbüßen und an Stabilität verlieren. Europa falle hoffnungslos hinter die anderen großen Regionalblöcke zurück. Die Schuld dafür gibt Henkel der schwarz-gelben Regierung, die in der Beteiligung am milliardenschweren Rettungsschirm die einzige Alternative sehe und Deutschland damit an den Rand des „Totalausverkaufs“ bringe.

    Mit der von ihm beschriebenen Alternative kehre Europa zu einer Wettbewerbsgemeinschaft zurück, verspricht Henkel. Orientieren sollen sich die neuen Währungszonen dabei nicht nur an Disziplin oder Konsumlust der Länder, sondern auch und vor allem an deren Mentalitätsunterschieden. So sieht der Autor Frankreich eindeutig in der „Olivengruppe“: Paris lege im Umgang mit schwächelnden Euro-Ländern eine völlig andere Philosophie an den Tag, als sie in Berlin vorherrsche. Die Einwilligung in die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), künftig private Gläubiger an der Euro-Rettungsaktion zu beteiligen, sei beispielsweise in einer „unverbindlichen Willenserklärung“ hängengeblieben.

    Sarrazins Sprüche

    Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate.
    Mit seinen Äußerungen provoziert Bundesbank-Chef Thilo Sarrazin immer wieder die Öffentlichkeit - DerWesten dokumentiert zwölf seiner streitbaren Zitate. © ddp
    Februar 2002 über Berliner Beamte:
    Februar 2002 über Berliner Beamte: "Die Beamten laufen bleich und übelriechend herum, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist." © ddp
    November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren:
    November 2002 zur Debatte über höhere Kita-Gebühren: "Es wird ja so getan, als ob der Senat die Kinder ins Konzentrationslager schicken wollte." © ddp
    März 2002 zum Berliner Stadtbild:
    März 2002 zum Berliner Stadtbild: "Nirgendwo schlurfen so viele Menschen in Trainingsanzügen durch die Straßen wie in Berlin."
    November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten:
    November 2003 über Studenten, die sein Berliner Büro besetzten: "Ihr seid alle Arschlöcher." © REUTERS
    Januar 2005 zur geplanten Länderfusion:
    Januar 2005 zur geplanten Länderfusion: "Das vereinte Land Berlin-Brandenburg ist natürlich immer eine Stadt Berlin mit angeschlossener landwirtschaftlicher Fläche." © ddp
    August 2006 zur Berliner Finanzlage:
    August 2006 zur Berliner Finanzlage: "Lassen Sie mich mal so sagen: Der Schutt ist abgeräumt. Wir leben nicht mehr im Jahr 1945, sondern wir leben im Jahr 1947." © ddp
    Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit:
    Februar 2008 zum Thema Schwarzarbeit: "Ehe jetzt einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag nur fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarz arbeitet." © AP
    Februar 2008 zu seinem Speiseplan für
    Februar 2008 zu seinem Speiseplan für "Hartz IV"-Empfänger: Für 4,25 Euro könne man sich "vollständig, gesund und wertstoffreich ernähren". Auf Kritik konterte er: "Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von "Hartz IV"-Empfängern das Untergewicht." © imago stock&people
    Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem:
    Februar 2008 zum Berliner Bildungssystem: "Bayerische Schüler können aber mehr ohne Abschluss als unsere in Berlin mit Abschluss." © AP
    Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte:
    Juni 2008 zur Mindestlohn-Debatte: "Für fünf Euro würde ich jederzeit arbeiten gehen. Das wären 40 Euro pro Tag." © imago stock&people
    September 2009 in der Zeitschrift
    September 2009 in der Zeitschrift "Lettre International": "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." © ddp
    Ebenfalls dort:
    Ebenfalls dort: "Je niedriger die Schicht, desto höher die Geburtenrate. Die Araber und die Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht." © ddp
    Weiter:
    Weiter: "Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig. Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun." © REUTERS
    1/14

    Brüderle diskutiert und wiegelt ab

    Brüderle sind die Provokationen Anlass genug, das Buch gemeinsam mit dem Autor zu diskutieren. „In Teilen“ stimme er der Argumentation zu. Henkel weise auf Schwachstellen hin, so das Fehlen einer europäischen Grundphilosophie. Ein Abkapseln einzelner Staaten oder gar ein Alleingang Deutschlands hingegen werde „rund 50 Jahre Verständigungsarbeit“ zunichte machen. Die Beschlüsse der EU-Finanzminister vom Sonntag zeigten, wie sehr den Regierungen daran gelegen sei, „die Dinge ins Lot zu bringen“.

    Der EU-Rettungsschirm sei für ihn nur vertretbar, um Zeit für die Korrektur von Fehlentwicklungen in einigen Ländern zu gewinnen, sagte Brüderle weiter.

    Plädoyer für Sarrazin

    Neben dem Wirtschaftsminister äußerte sich eine weitere prominente Persönlichkeit zu Henkels siebtem Buch: Thilo Sarrazin. Für den Einband schrieb der umstrittene Autor: „Man möchte das Buch zur Pflichtlektüre für jeden Bundestagsabgeordneten machen, damit der Bundesregierung endlich mal die richtigen Fragen gestellt werden.“

    Die richtigen Fragen stellen möchte auch Henkel. Bevor er zu seinem Plädoyer für zwei verschiedene Euro-Varianten kommt, widmet er Kapitel eins der „Maulkorb-Republik“. Warum Kanzlerin Merkel Sarrazins Thesen zur Integration von Ausländern eigentlich „vorschnell und ohne genaue Kenntnis“ verdammt habe, fragt er und bezieht sich selbst gleich mit ein: Man könne ihn und Sarrazin zwar als nicht ernstzunehmende und moralisch verkommene Einzelgänger bezeichnen - die Mehrheit sei aber auf ihrer Seite. (dapd)