Berlin. . Am Sonntag beginnt die Parlamentswahl in Italien. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Populisten wie Berlusconi oder Grillo den Reformeifer einer künftigen Regierung bremsen werden. Und dann? Eine Analyse aus wirtschaftlicher Sicht.

Vor der Wahl in Italien herrscht allenthalben Sorge, dass die Eurokrise zurückkehrt. Der Grund: Eine neue Regierung unter Einfluss der Rechts- oder Linkspopulisten Berlusconi oder Grillo könnte den Reformprozess der vergangenen zwei Jahre bremsen. Wirtschaftlich ist das Mittelmeerland noch nicht über den Berg.

Das Land steht besser da als Griechenland oder Spanien. Die private Verschuldung ist gering, die öffentliche Verschuldung zwar hoch, aber stabil. Viele große und kleine Unternehmen sind grundsätzlich in der Lage, konkurrenzfähige Produkte zu fertigen und zahlreiche Arbeitsplätze anzubieten.

Zweifel an der Wirtschaftskraft

Trotzdem betrachten internationale Banken, Fonds und Wertpapierhändler Italien mit Argwohn: Reicht die wirtschaftliche Leistungskraft aus, um die Staatsschulden zu bezahlen oder zu verringern? Verbreiten sich Zweifel, müsste Italien höhere Zinsen für seine Schulden entrichten – die Glaubwürdigkeitskrise des Euro würde sich wieder einmal verschärfen.

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Die ökonomischen Probleme Italiens spiegeln sich in zwei Größen: dem Wachstum und den Lohnstückkosten. Einer neuen Analyse des Internationalen Währungsfonds zufolge betrug die Zunahme der italienischen Wirtschaftsleistung zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich 0,4 Prozent jährlich. Das war fast nichts. Euroland schaffte im Durchschnitt immerhin 1,1 Prozent.

Das Wachstum stagnierte fast

Als wichtigsten Grund für diese Beinahe-Stagnation machen Ökonomen die Lohnstückkosten aus. Diese Größe bezeichnet den Arbeitslohn inklusive Nebenkosten, die in einem Produkt stecken. Diese sind in Italien zwischen 1999 und 2011 um 30 Prozent gestiegen, während sie beispielsweise in Deutschland kaum wuchsen. Das bedeutet: Italienische Waren und Dienstleistungen wurden im Verhältnis um ein Drittel teurer und fanden weniger Käufer.

Hier setzen die Reformen an, die die Regierung Mario Montis in den vergangenen Jahren begonnen hat – und die nun möglicherweise in Frage stehen. „Sie dienen unter anderem dazu, die zentrale Lohnfindung aufzubrechen und beispielsweise Abweichungen von Branchentarifverträgen in einzelnen Unternehmen zu ermöglichen“, sagt Tim Oliver Berg vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München. Der Sinn besteht – einfach und hart gesagt – darin, die Löhne zu drücken. Das ökonomische Kalkül: Wenn die Fahrzeuge der Marke Fiat billiger werden, finden sich vielleicht mehr Käufer. Das Wachstum zieht an, der Staat nimmt mehr Steuern ein und kann die Schuldenlast verringern.

Die Reformen produzierten viele Verlierer

Zahlreiche weitere Reformen der jüngsten Zeit gehen in die gleiche Richtung. So wird der Kündigungsschutz für langjährige Beschäftigte gelockert. Dass eine solche Gesamtstrategie funktionieren kann, zeigt Deutschland. Aber sie produziert auch Verlierer: Beschäftigte verdienen weniger Geld, Erwerbslose müssen mit geringerem Arbeitslosengeld rechnen und Rentner mit abgespeckten Altersbezügen.

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Auch die Produktmärkte hat die Regierung Monti zu öffnen versucht. So begann im Energiesektor der Prozess, der in Deutschland bereits vor zehn Jahren stattfand – die Trennung von Energieproduktion und -verteilung. Indem die Regierung dem Konzern ENI Macht abnimmt, sollen neue Firmen Zugang zum Markt erhalten und dadurch die Strompreise zurückgehen. Diese liegen heute teilweise um rund die Hälfte über denen vergleichbarer Staaten. „Die Preise für Energie sollen sinken, um Privathaushalte und Unternehmen zu entlasten“, sagt Ökonom Berg.

Korruption, Mafia – auch hier wäre noch etwas zu tun

Ein weiteres Feld, auf dem Italien Fortschritte machen könnte: Schattenwirtschaft, Mafia und Korruption. Auf dem Korruptionsindex der Organisation Transparency International steht das Land auf dem nicht glorreichen Platz 72. In der Europäischen Union liegen nur Bulgarien und Griechenland dahinter.