Rom. . Berlusconi auf allen Kanälen: Wer derzeit in Italien den Fernseher einschaltet, der sieht wahrscheinlich den früheren Ministerpräsidenten vor sich. Mit massiver Medienpräsenz schafft er die Aufholjagd. Und Ende des Monats wird gewählt.

Anfang Januar konnten Italiens Linksdemokraten noch sicher sein, die Parlamentswahl am 24. und 25. Februar zu gewinnen. Im Lauf von fünf Wochen aber ist der komfortable Vorsprung von 12,5 Punkten gegenüber Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Formation auf magere vier Punkte zusammengeschmolzen. Und je stärker die Zahl der Unentschiedenen sinkt, umso mehr steigen Berlusconis Umfragekurven. Das heißt: der 76-Jährige, dessen größte Stärke immer schon die Wahlkämpfe waren, schafft es jetzt wieder, viele Italiener auf seine Seite zu ziehen.

Berlusconi ist präsent auf allen TV-Kanälen

Wie er das macht? Zum einen durch flächendeckende Fernsehpräsenz. Berlusconi tritt in so vielen Studios auf wie noch nie, sagt irgendetwas, über das wiederum die anderen Fernsehkanäle meinen berichten zu müssen.

Es ist ein Lawineneffekt; wer immer, egal zu welcher Tageszeit, den Fernseher einschaltet – er sieht Berlusconi. Dieser legt es in einem regelrechten Verdrängungswettbewerb generell darauf an, überall im Mittelpunkt zu stehen. Als vor zehn Tagen in Mailand der Holocaust-Opfer gedacht werden sollte, erschien – unangemeldet – Berlusconi auf der Szene. Er sagte, zwar seien die faschistischen Rassengesetze die „schlimmste Schuld“ von Duce Mussolini gewesen; viele andere Dinge habe dieser aber „gut gemacht“. Und die Judenvernichtung, die sei Italien von den Deutschen „auferlegt“ worden.

Berlusconi setzt auf antideutsche Stimmungsmache

Die Botschaft war klar: Berlusconi setzt seinen antideutschen Stimmungswahlkampf fort und ruft die Wähler rechter bis rechtsextremer Denkweise, deren Miniparteien er schon lange in seiner Koalition beherbergt, wieder einmal an seine Seite. Und in Mailand hat er erreicht, dass weniger über das Holocaust-Gedenken berichtet wurde als über Berlusconis gezielt aufregenden Sätze.

Kaum ist der eine Coup gelandet, setzt Berlusconi zum nächsten an: Der Kauf des genialen, wenn auch unbeherrschten Stürmers Mario Balotelli für seinen Fußball-Erstligaklub AC Milan kostete Berlusconi zwar 20 Millionen Euro; er bringt ihm aber laut Wahlforschern ein bis zwei Prozent der Stimmen – und das in der Region Lombardei, die genauso wahlentscheidend sein wird, wie es der US-Bundesstaat Ohio für Barack Obama war.

An diesem Sonntag hat Berlusconi auch noch versprochen, die vom „technischen“ Regierungschef Mario Monti eingeführte, bei den Bürgern verhasste Haus- und Grundsteuer unverzüglich abzuschaffen und den Italienern die bereits gezahlten Beiträge „in bar“ zurückzugeben. Die vier Milliarden Euro dafür will Berlusconi aus einem Steuerabkommen mit der Schweiz gewinnen. „Komplett unrealistisch“, sagen Experten in Rom: Das Abkommen zur Jagd auf Steuerflüchtige werde erst in vier oder fünf Jahren fertig sein. Macht nichts: in den Umfragen hat der alte Viel-Versprecher schon wieder gepunktet.

Ermittlungen gegen Linke

In der wahlentscheidenden Lombardei sind die gegnerischen Sozialdemokraten jetzt auch noch in die Defensive geraten. Die Staatsanwaltschaft zieht gegen gegen linke Landtagsabgeordnete zu Felde, weil diese sich an Steuergeldern bereichert haben sollen.

Die Vorwürfe lauten: Spesenerstattung für dienstlich ungerechtfertigte Übernachtungen in teuren Hotels, große Abendessen auf Kosten der Steuerzahler, Spitzensekt, Hummer, Luxus-Füllfederhalter und dergleichen.

Unter dem Pressewirbel dieser aktuellen Vorwürfe ist ganz in Vergessenheit geraten, warum die Lombardei nicht nur fürs nationale Parlament zu den Urnen gerufen wird, sondern auch einen neuen Landtag wählen muss: Weil die bisherige, von Berlusconis Partei geführte Regierungsmehrheit wegen eigener, weit umfangreicherer Selbstbereicherungs- und Korruptionsdelikte vorzeitig hat abtreten müssen.