Berlin. Das Bundesinnenministerium prüft rechtliche Schritte gegen die rechtsextreme NPD. Die Partei hat eine geheime Materialsammlung für ein Verbotsverfahren gegen sich veröffentlicht. Die NPD hatte die ihr zugespielte Kurzfassung des Berichts zum Download auf ihre Internetseite gestellt.
Die NPD versucht in der Debatte über ein Verbotsverfahren die Flucht nach vorn: Die rechtsextreme Partei hat auf ihrer Internetseite eine offenbar geheime Materialsammlung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD veröffentlicht, wie "tagesschau.de" am Mittwoch meldete. Dabei handele es sich um eine 136-seitige Kurzfassung der Materialsammlung. Die Zusammenfassung ist als "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" gekennzeichnet.
Der Bundesrat hatte Ende 2012 ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD beantragt. Dem Antrag lag die mehr als 1.000 Seiten umfassende Materialsammlung zugrunde. Bundesregierung und Bundesrat überlegen noch, ob sie eigene Anträge beim Bundesverfassungsgericht stellen.
Material soll der Partei "zugespielt" worden sein
Das auf November 2012 datierte Material sei der Partei "zugespielt" worden, teilte die NPD mit. In einer Pressemitteilung zeigte sie sich betont gelassen. Nach einer "ersten, oberflächlichen Analyse" sei man sich einig, dass das Papier "ein schlechter Faschings- oder vorgezogener Aprilscherz" sein müsse. Dem Verfahren sehe man deshalb "mit dem notwendigen Ernst, aber auch mit der gebotenen Gelassenheit entgegen".
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Mit der Veröffentlichung könnte sich die Partei womöglich mehr geschadet als genutzt haben: Das Bundesinnenministerium prüfe rechtliche Schritte gegen die NPD, sagte ein Sprecher auf dapd-Anfrage. Auch das nordrhein-westfälische Innenministerium untersuche die Veröffentlichung des geheimen Papiers, schrieb "tagesschau.de". Die Erfolgsaussichten des Verfahrens könnten nicht eingeschätzt werden, sagte der Ministeriumssprecher weiter.
Die Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke, sagte, die Veröffentlichung der Materialien dürfe "nicht als Vorwand genommen werden, nun auf das Verbotsverfahren gegen die NPD zu verzichten". Wenn die Länder - wie angekündigt - "tatsächlich keine Informationen von V-Leuten verwendet haben und tatsächlich nur öffentlich zugängliches Material genutzt haben", könne der Schaden nicht so groß sein.
Strafrechtliche Schritte werden gefordert
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte wegen der Veröffentlichung strafrechtliche Ermittlungen. "Mit der strafrechtlichen Seite müssen sich jetzt die Strafverfolgungsbehörden beschäftigen", sagte er der "Frankfurter Rundschau" laut Vorabbericht. Er halte es für einen "gravierenden Vorgang". Die NPD werde ein überragendes Interesse daran haben, die Antragsteller immer wieder vorzuführen, sagte Bosbach. "Das ist ein Indiz dafür, dass man die Probleme, die es im Zusammenhang mit einem NPD-Verbotsverfahren geben wird, nicht unterschätzen darf - zumal sich das Verfahren sicherlich über eineinhalb bis zwei Jahre hinziehen wird."
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zeigte sich entrüstet über die Veröffentlichung der Materialsammlung. "Das ist ein gravierender Vorgang und der Versuch einer vorsätzlichen Torpedierung eines Parteiverbotsverfahrens", sagte Stahlknecht der "Mitteldeutschen Zeitung". Das zeige, dass es auch außerhalb der NPD Leute geben müsse, die nicht wollen, dass diese Partei verboten wird. Die Partei habe jetzt mehr Zeit, sich auf ein Verbotsverfahren einzurichten, fügte Stahlknecht hinzu.
Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (parteilos), früher Richter am Bundesgerichtshof, kritisierte auf "tagesschau.de" die "Geheimniskrämerei" beim Verbotsverfahren. Von vornherein sei dieses "überflüssig und politisch unklug" gewesen. Spätestens in einem Verfahren habe die Partei ohnehin einen Anspruch auf alle Unterlagen, die den Verbotsantrag begründen sollen. Seiner Ansicht nach wäre es notwendig gewesen, gleich mit offenen Karten zu spielen, zumal auch die Öffentlichkeit ein Interesse an dem Material habe, hieß es. (dapd/rtr)