Rom. Wie geht es weiter mit der katholischen Kirche? Will sie sich in Zukunft stärker den Problemen der Mesnchen in einer modernen Welt öffnen oder ihre theologischen Fundamente stärken? Wer soll die Kirche führen, ein Pragmatiker, Stratege und Strippenzieher oder ein versierter Theologe? Eine Analyse

Fragt man die Leute auf der Straße, dann wollen die meisten jetzt gerne einen jüngeren Papst, „einen aus der so genannten Dritten Welt“, einen offeneren, einen Schwarzen - warum nicht? Doch die Wahl haben die Kardinäle, die 117 unter ihnen, die noch keine 80 Jahre alt sind. Die Mehrheit von ihnen verdankt ihre Ernennung dem heutigen Papst; es ist nicht damit zu rechnen, dass sie von vorneherein eine Kurskorrektur wählen.

Ein Papst aus Übersee? Von den wählenden Kardinälen stammen 62, also eine absolute Mehrheit, aus Europa, unter ihnen 28 aus Italien. Bei verpflichtender Zweidrittelmehrheit im Konklave würden sie es selbst als Block nicht schaffen, einen der Ihren durchzusetzen.

Die Waage neigt sich nach Europa

Aber Afrika und Asien zählen jeweils nur elf Wähler. Die Waage neigt sich also in Richtung Europa – auch deswegen, weil die meisten Kardinäle aus Asien und Afrika längst „europäisiert“ sind: Sie haben ihre Theologie in Rom studiert, ihr Kirchenbild dort geformt. Wenn sie nicht auch noch – wie Robert Sarah (67) aus Guinea oder der Ghanaer Peter Turkson (64) – zu Behördenleitern an der römischen Kurie geworden sind. Wobei Turkson einen fast lockeren Eindruck vermittelt. Als er 2009 unter Verweis auf Barack Obama als ersten schwarzen US-Präsidenten gefragt wurde, ob die katholische Kirche nicht auch reif sei für einen Schwarzen als Papst, sagte Turkson kess: „Warum nicht?“

Lateinamerika - ausgebremst von den Päpsten

Die Lateinamerikaner sind etwas freier gegenüber der Kirchenzentrale in Rom. Doch seit Johannes Paul II. zusammen mit Joseph Ratzinger die Befreiungstheologie gestoppt und vatikanisch-linientreue Bischöfe ernannt hat, ist von lateinamerikanischen Reformanstößen nur mehr wenig zu hören. Derzeit ist völlig unklar, welche Wahlbündnisse sich im Konklave zusammenfinden könnten, wie man dort die Lage der Kirche analysiert und welche Art von Handlungs-, Beharrungs- oder Reformbedarf man daraus ableitet.

Die Konservativen formieren sich

Es ist möglich, dass die „Rechten“ noch stärker werden. In der Auseinandersetzung mit den ultrakonservativen Pius-Brüdern gab es eine starke Polarisierung unter Kardinälen und Bischöfen. Und gerade die Konservativen in Kurie und Kardinalsgremium haben Benedikt den Rücktritt übel genommen. „Man steigt nicht herab vom Kreuz“, rief Kardinal Stanislaw Dziwisz, Privatsekretär Johannes Pauls II., aus Krakau nach Rom.

Wo liegt die künftige Stärke der katholischen Kirche? Im Rückschritt auf einen eng gefassten Traditionsbegriff? Oder in größerer Öffnung auf die moderne Welt und auf deren Reformwünsche? Die Kardinäle haben die Wahl.