Rom/Bonn. Papst Benedikt XVI. hat offiziell sein Bedauern über die entstandenen Irritationen im christlich-jüdischen Verhältnis ausgedrückt und Fehler im Vatikan eingeräumt. Kölns Erzbischof Kardinal Meisner fordert die katholischen Papst-Kritiker zur Entschuldigung auf.
Papst Benedikt XVI. hat offiziell sein Bedauern über die entstandenen Irritationen im christlich-jüdischen Verhältnis ausgedrückt und Fehler im Vatikan eingeräumt. Die Kirchenleitung in Rom veröffentlichte den Brief des Papstes zur Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der umstrittenen Pius-Bruderschaft, der bereits am Vortag vorab bekanntgeworden war. Das an die katholischen Bischöfe gerichtete, sehr persönlich gehaltene Schreiben gilt mit seinen selbstkritischen Tönen als für ein Kirchenoberhaupt ungewöhnlicher Schritt.
In Deutschland stieß der Brief des Papstes auf positive Reaktionen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken äußerte sich «dankbar» für die Klarstellungen Benedikts. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, der den Papst am Mittwoch im Vatikan besucht hatte, sprach von einem beispielhaften und mutigen Schritt. Bereits am Vorabend hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, seinerseits Dankbarkeit für den «freimütigen» Brief des Kirchenoberhaupts bekundet.
Die Aufhebung der Exkommunikation für die vier Bischöfe der Piusbruderschaft habe «innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche aus vielfältigen Gründen zu einer Auseinandersetzung von einer Heftigkeit geführt, wie wir sie seit langem nicht mehr erlebt haben», räumt der Papst darin ein. Er fühle sich zu einem klärenden Wort gedrängt, «das helfen soll, die Absichten zu verstehen, die mich und die zuständigen Organe des Heiligen Stuhls bei diesem Schritt geleitet haben». Damit wolle er zum Frieden in der Kirche beitragen.
«Nicht vorhersehbare Panne»
Eine «nicht vorhersehbare Panne» habe darin bestanden, dass die Aufhebung der Exkommunikation überlagert worden sei von dem Fall des den Holocaust leugnenden Bischofs Richard Williamson, schreibt Benedikt XVI. Aus «einer Einladung zur Versöhnung mit einer sich abspaltenden kirchlichen Gruppe» sei «ein scheinbarer Rückweg hinter alle Schritte der Versöhnung von Christen und Juden» geworden.
Dass «diese Überlagerung zweier gegensätzlicher Vorgänge eingetreten ist und den Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche für einen Augenblick gestört hat, kann ich nur zutiefst bedauern», heißt es weiter in dem Papst-Brief. Er lerne daraus, dass der Heilige Stuhl künftig auf alle verfügbaren Nachrichtenquellen aufmerksamer achten müsse, auch die im Internet. Eine weitere Panne sei gewesen, dass Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21. Januar bei der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dargestellt worden seien.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, nannte den Brief Benedikts XVI. «ein geschichtlich einmaliges und sehr persönliches Dokument». Es bekräftigte eindrucksvoll sein Festhalten am Zweiten Vatikanischen Konzil und sein Bekenntnis zur Versöhnung zwischen Juden und Christen, zur Ökumene und zum interreligiösen Dialog.
«Kritik hat Papst sehr getroffen»
Der CSU-Politiker Ramsauer sagte der Online-Ausgabe der «Süddeutschen Zeitung», die Kritik habe den Papst sehr getroffen. So viel Courage, wie Benedikt mit dem Schreiben gezeigt habe, «würde ich mir auch von denjenigen wünschen, die seine gut gemeinten Worte leider immer wieder negativ auslegen», wird Ramsauer zitiert.
Erzbischof Zollitsch nannte das Schreiben «ein Dokument des brüderlichen Umgangs mit uns Mitbischöfen, der geistlichen Unterscheidung und der ehrlichen Rechenschaft gegenüber allen Gläubigen». Die Worte des Papstes wirkten klärend und motivierend.
Meisner fordert Papst-Kritiker zur Entschuldigung auf
Kölns Erzbischof Kardinal Joachim Meisner hat die katholischen Kritiker von Papst Benedikt XVI. zur Entschuldigung beim Heiligen Vater aufgefordert. In einer Erklärung zitiert Meisner den Papst: «Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten».
Meisner fügte hinzu: «Wer nach ehrlicher Gewissenserforschung erkennen muss, dass auch er Anlass zu dieser Aussage gegeben hat, sollte den Heiligen Vater um Verzeihung bitten.» Gerade in Deutschland bestehe offensichtlich besonderer Grund zu solcher Gewissenserforschung.
Unter anderem hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Verhalten von Benedikt XVI. kritisiert. Die Protestantin sagte Anfang Februar, der Papst und der Vatikan müssten «eindeutig klarstellen, dass es keine Leugnung des Holocaust geben darf». Auch katholische Theologieprofessoren und Laien äußerten Unverständnis für das Verhalten des Vatikans. (ddp)
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Dokumentation: Der Papst-Brief zum Wirbel um die Piusbruderschaft
Mit einem persönlichen Brief an die katholischen Bischöfe hat Papst Benedikt XVI. auf die Kritik an der Begnadigung der vier Bischöfe der traditionalistischen Piusbruderschaft reagiert. Das Schreiben, das schon vorab kursierte, wurde vom Vatikan offiziell veröffentlicht. Die Nachrichtenagentur ddp dokumentiert es in Auszügen:
«Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!
Die Aufhebung der Exkommunikation für die vier von Erzbischof Lefebvre im Jahr 1988 ohne Mandat des Heiligen Stuhls geweihten Bischöfe hat innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche aus vielfältigen Gründen zu einer Auseinandersetzung von einer Heftigkeit geführt, wie wir sie seit langem nicht mehr erlebt haben. (...)
Auch wenn viele Hirten und Gläubige den Versöhnungswillen des Papstes grundsätzlich positiv zu werten bereit waren, so stand dagegen doch die Frage nach der Angemessenheit einer solchen Gebärde angesichts der wirklichen Dringlichkeiten gläubigen Lebens in unserer Zeit. Verschiedene Gruppierungen hingegen beschuldigten den Papst ganz offen, hinter das Konzil zurückgehen zu wollen: Eine Lawine von Protesten setzte sich in Bewegung, deren Bitterkeit Verletzungen sichtbar machte, die über den Augenblick hinausreichen.
So fühle ich mich gedrängt, an Euch, liebe Mitbrüder, ein klärendes Wort zu richten, das helfen soll, die Absichten zu verstehen, die mich und die zuständigen Organe des Heiligen Stuhls bei diesem Schritt geleitet haben. Ich hoffe, auf diese Weise zum Frieden in der Kirche beizutragen.
Eine für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, dass die Aufhebung der Exkommunikation überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit gegenüber vier gültig, aber nicht rechtmäßig geweihten Bischöfen erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlich-jüdische Versöhnung, als Rücknahme dessen, was das Konzil in dieser Sache zum Weg der Kirche erklärt hat. Aus einer Einladung zur Versöhnung mit einer sich abspaltenden kirchlichen Gruppe war auf diese Weise das Umgekehrte geworden: ein scheinbarer Rückweg hinter alle Schritte der Versöhnung von Christen und Juden, die seit dem Konzil gegangen wurden und die mitzugehen und weiterzubringen von Anfang an ein Ziel meiner theologischen Arbeit gewesen war.
Dass diese Überlagerung zweier gegensätzlicher Vorgänge eingetreten ist und den Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche für einen Augenblick gestört hat, kann ich nur zutiefst bedauern. Ich höre, dass aufmerksames Verfolgen der im Internet zugänglichen Nachrichten es ermöglicht hätte, rechtzeitig von dem Problem Kenntnis zu erhalten. Ich lerne daraus, dass wir beim Heiligen Stuhl auf diese Nachrichtenquelle in Zukunft aufmerksamer achten müssen.
Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten. Um so mehr danke ich den jüdischen Freunden, die geholfen haben, das Missverständnis schnell aus der Welt zu schaffen und die Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens wiederherzustellen, die - wie zur Zeit von Papst Johannes Paul II. - auch während der ganzen Zeit meines Pontifikats bestanden hatte und gottlob weiter besteht.
Eine weitere Panne, die ich ehrlich bedaure, besteht darin, dass Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21.1.2009 bei der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dargestellt worden sind. Die Exkommunikation trifft Personen, nicht Institutionen. Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag bedeutet die Gefahr eines Schismas, weil sie die Einheit des Bischofskollegiums mit dem Papst in Frage stellt. Die Kirche muss deshalb mit der härtesten Strafe, der Exkommunikation, reagieren, und zwar, um die so Bestraften zur Reue und in die Einheit zurückzurufen. 20 Jahre nach den Weihen ist dieses Ziel leider noch immer nicht erreicht worden. Die Rücknahme der Exkommunikation dient dem gleichen Ziel wie die Strafe selbst: noch einmal die vier Bischöfe zur Rückkehr einzuladen. (...)
Die Lösung der Exkommunikation war eine Maßnahme im Bereich der kirchlichen Disziplin: Die Personen wurden von der Gewissenslast der schwersten Kirchenstrafe befreit. Von dieser disziplinären Ebene ist der doktrinelle Bereich zu unterscheiden. Dass die Bruderschaft Pius' X. keine kanonische Stellung in der Kirche hat, beruht nicht eigentlich auf disziplinären, sondern auf doktrinellen Gründen. Solange die Bruderschaft keine kanonische Stellung in der Kirche hat, solange üben auch ihre Amtsträger keine rechtmäßigen Ämter in der Kirche aus. (...)
Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren - das muss der Bruderschaft ganz klar sein. Aber manchen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass das II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden, von denen der Baum lebt.
Ich hoffe, liebe Mitbrüder, dass damit die positive Bedeutung wie auch die Grenze der Maßnahme vom 21.1.2009 geklärt ist. Aber nun bleibt die Frage: War das notwendig? War das wirklich eine Priorität? Gibt es nicht sehr viel Wichtigeres? Natürlich gibt es Wichtigeres und Vordringlicheres. Ich denke, dass ich die Prioritäten des Pontifikats in meinen Reden zu dessen Anfang deutlich gemacht habe. Das damals Gesagte bleibt unverändert meine Leitlinie. (...)
Die Menschen zu Gott, dem in der Bibel sprechenden Gott zu führen, ist die oberste und grundlegende Priorität der Kirche und des Petrusnachfolgers in dieser Zeit. Aus ihr ergibt sich dann von selbst, dass es uns um die Einheit der Glaubenden gehen muss. Denn ihr Streit, ihr innerer Widerspruch, stellt die Rede von Gott in Frage. Daher ist das Mühen um das gemeinsame Glaubenszeugnis der Christen - um die Ökumene - in der obersten Priorität mit eingeschlossen. Dazu kommt die Notwendigkeit, dass alle, die an Gott glauben, miteinander den Frieden suchen, versuchen einander näher zu werden, um so in der Unterschiedenheit ihres Gottesbildes doch gemeinsam auf die Quelle des Lichts zuzugehen - der interreligiöse Dialog. (...)
Dass die leise Gebärde einer hingehaltenen Hand zu einem großen Lärm und gerade so zum Gegenteil von Versöhnung geworden ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber nun frage ich doch: War und ist es wirklich verkehrt, auch hier dem Bruder entgegenzugehen, »der etwas gegen dich hat« und Versöhnung zu versuchen (vgl. Mt 5, 23f)? Muss nicht auch die zivile Gesellschaft versuchen, Radikalisierungen zuvorzukommen, ihre möglichen Träger - wenn irgend möglich - zurückzubinden in die großen gestaltenden Kräfte des gesellschaftlichen Lebens, um Abkapselung und all ihre Folgen zu vermeiden? (...)
Kann uns eine Gemeinschaft ganz gleichgültig sein, in der es 491 Priester, 215 Seminaristen, 6 Seminare, 88 Schulen, 2 Universitäts-Institute, 117 Brüder und 164 Schwestern gibt? Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen? (...)
Gewiss, wir haben seit langem und wieder beim gegebenen Anlass viele Misstöne von Vertretern dieser Gemeinschaft gehört - Hochmut und Besserwisserei, Fixierung in Einseitigkeiten hinein usw. Dabei muss ich der Wahrheit wegen anfügen, dass ich auch eine Reihe bewegender Zeugnisse der Dankbarkeit empfangen habe, in denen eine Öffnung der Herzen spürbar wurde. Aber sollte die Großkirche nicht auch großmütig sein können im Wissen um den langen Atem, den sie hat; im Wissen um die Verheißung, die ihr gegeben ist? Sollten wir nicht wie rechte Erzieher manches Ungute auch überhören können und ruhig aus der Enge herauszuführen uns mühen? (...)
Manchmal hat man den Eindruck, dass unsere Gesellschaft wenigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht; auf die man ruhig mit Hass losgehen darf. Und wer sie anzurühren wagte - in diesem Fall der Papst -, ging auch selber des Rechts auf Toleranz verlustig und durfte ohne Scheu und Zurückhaltung ebenfalls mit Hass bedacht werden. (...)
So möchte ich am Schluss all den vielen Bischöfen von Herzen danken, die mir in dieser Zeit bewegende Zeichen des Vertrauens und der Zuneigung, vor allem aber ihr Gebet geschenkt haben. Dieser Dank gilt auch allen Gläubigen, die mir in dieser Zeit ihre unveränderte Treue zum Nachfolger des heiligen Petrus bezeugt haben. Der Herr behüte uns alle und führe uns auf den Weg des Friedens. (...)
Mit einem besonderen Apostolischen Segen verbleibe ich im Herrn Euer BENEDICTUS PP. XVI»