Düsseldorf/Essen. . Nach der Entscheidung der Heine-Uni Düsseldorf muss Bundesforschungsministerin Schavan nicht nur um den Doktortitel bangen. Sie ist auch Professorin. Der Blick auf Gerichtsurteile zeigt: Klagen prominenter Politiker gegen den Titel-Entzug wurden von Gerichten bis dato nicht positiv beschieden.

Die Mitarbeiterin am Seminar für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin war hörbar genervt. Sie mag am Telefon noch nicht mal Auskunft geben, wo sich auf der Internetseite der Fakultät die Übersicht über die Lehrveranstaltungen findet. Die Frage aber hat einen Hintergrund. Denn die Entscheidung der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, Bundesforschungsministerin Annette Schavan den Doktortitel zu entziehen, könnte sich auch auf die FU Berlin auswirken. Die CDU-Politikerin Schavan ist dort seit dem Wintersemester 2009/2010 als Honorarprofessorin tätig.

Noch hat Schavan ihren Doktortitel. Und noch kann sie auch offiziell als Prof. Dr. Annette Schavan auftreten, wie es etwa auf der Seite ihres Ministeriums zu lesen ist. Was den Dr. angeht, noch mindestens für vier Wochen. Solange läuft die Frist, in der Schavan gegen die am Dienstagabend verkündete Entscheidung des Fakultätsrats der Philosophischen Fakultät der Heine Uni klagen kann. Ihre Anwälte hatten bereits am Montag angekündigt, dass sie es tut.

Hochschulverband sieht Schavans Reputation erheblich beschädigt

Nach gut neun Monaten Prüfung hat das Gremium, das sich aus Professoren, Studenten und Beschäftigten der Geisteswissenschaftlichen Fakultäten zusammensetzt, am Dienstagabend entschieden, Schavan den Doktortitel zu entziehen. 13 von 15 stimmberechtigten Mitgliedern sahen es stichhaltig begründet, dass Schavan in ihrer Promotion aus dem Jahr 1980 "vorsätzlich getäuscht" habe: "Die Häufung und Konstruktion (von) wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben (...) das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte."

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Aus Sicht des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Standesvertretung der bundesweit mehr als 27.000 Hochschulprofessoren, ist damit die Reputation Schavans "erheblich beschädigt", wie Sprecher Matthias Jaroch am Mittwoch erklärt. Gleichwohl kommt dem Verband eine direkte Rücktrittsaufforderung derzeit nicht über die Lippen: "Es ist für uns schwer vorstellbar, dass die Ministerin, sollte sie ihren Doktortitel tatsächlich verlieren, ihr Amt noch mit der nötigen Kraft wahrnehmen kann", heißt es auf Anfrage. Wenn sie ihn verliert, bliebe ihr im übrigen kein weiterer wissenschaftlicher Abschluss.

Beim Verlust des Titels bliebe Schavan nur das Abitur als Abschluss 

Mit der Aberkennung des Doktortitels würde Schavan ihren einzigen Hochschulabschluss verlieren. Es bliebe der 1955 in Jüchen bei Aachen geborenen CDU-Politikerin dann nur ihr Abitur als Schulabschluss, das sie 1974 am Nelly-Sachs-Gymnasium in Neuss abgelegt hatte. Wegen "einer Besonderheit der erziehungswissenschaftlichen Promotionskultur in den frühen 80er Jahren", so die Erläuterung der Heinrich-Heine Uni, hatte Schavan ihre Promotion ohne einen vorhergehenden akademischen Abschluss erreichen können.

Der Blick auf einschlägige Gerichtsentscheide dürfte der Forschungsministerin nicht unbedingt Mut machen, den Doktortitel zu behalten: "In den meisten Fällen haben die Verwaltungsgericht die Entscheidungen der Hochschulen bisher bestätigt", fasst DHV-Sprecher Matthias Jaroch zusammen. Der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wählte erst gar nicht den Weg vor Gericht, um sich gegen den Plagiatsvorwurf der Universität Bayreuth zu wehren. Nur zwei Wochen dauerte es im Februar 2011 vom Auftauchen des ersten Plagiats-Verdachts bis zum Amtsrücktritt Guttenbergs, eine Woche nachdem die Universität ihm den Titel aberkannt hatte.

Plagiatsvorwürfe - Prominente Politikern prallten bei Gericht ab

Anderen prominenten Politikern brachte der Weg vor Gericht bisher keinen Erfolg: Der FDP-Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis etwa scheiterte im März 2012 vor dem Verwaltungsgericht Köln mit seiner Klage gegen die Universität Bonn. Chatzimarkakis nahm die Entscheidung hin und hat die Promotion mittlerweile auch aus seinem Lebenslauf entfernt. Auch Veronica Saß, die Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, unterlag vor Gericht.

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Unterdessen ist die Klage der FDP-Europaparlamentarierin Silvana Koch-Mehrin, die vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe um ihren Dr.-Titel kämpft, noch nicht entschieden. Ihrer Partei-Kollegin Margarita Mathiopoulos wiederum beschied das Verwaltungsgericht Köln erst vor wenigen Wochen, dass ihr der Doktor-Grad zu Recht entzogen worden sei. Mathiopoulos ist dagegen in Revision gegangen. Das Verfahren läuft noch, den Dr. führt sie vorerst also weiter - auch den Titel Honorarprofessorin.

Ehrenprofessur für FDP-Beraterin Mathiopoulos steht auf der Kippe 

Am Fall der FDP-Beraterin Mathiopoulos könnte sich andeuten, was auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan bevorsteht, sollte sie tatsächlich ihre Doktor-Würden verlieren. Am Historischen Institut der Universität Potsdam ist Mathiopoulos seit elf Jahren als Honorarprofessorin tätig. Laut Seminarverzeichnis bietet sie den Studierenden aktuell ein Seminar zur Rolle der Nato im 21. Jahrhunderts, jeweils Freitags von 10 bis 12 Uhr.

Auch für das nahende Sommersemester 2013 ist bereits ein Seminar-Angebot angekündigt, zu den "Grundzügen der US-Außenpolitik von Harry S. Truman bis Barack Obama". Ob sich Mathiopolous an der Universität Potsdam tatsächlich damit befassen kann, hängt vom Lauf ihrer Klage ab. Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät an der Uni hat bereits im vergangenen Mai dazu einen "Vorratsbeschluss" gefasst. Das Gremium kündigte an, Mathiopolous aus der Berufung als Honorarprofessorin zu verabschieden, "sollte die Entscheidung der Universität Bonn rechtskräftig werden"; Dies jedenfalls würde das Gremium der Hochschulleitung dann empfehlen. Entscheiden muss letztlich der Präsident der Universität Potsdam.

Ministerin Schavan hat noch weitere Dr.-Titel

Im Fall von Bundesforschungsministerin Annette Schavan mag sich die FU Berlin derzeit nicht zu möglichen Konsequenzen äußern: "Dazu sagen wir nichts", heißt es in der Pressestelle am Mittwoch. Dazu erklärt Sprecher Goran Krstin auf Anfrage, dass Schavan bis dato "ihre Lehrverpflichtungen in vollem Umfang" erfülle und in diesem Semester ein Seminar zum Thema "Religionsfreiheit. Eine neue Sicht des Konzils und die Rezeption in religiös pluralen Gesellschaften" anbietet. Vergütet würde ihre Tätigkeit im Übrigen nicht.

Beim Deutschen Hochschulverband weist Sprecher Matthias Jaroch darauf hin, dass Honorarprofessuren "meist unentgeltlich" seien. Allerdings würde in "den meisten Fällen eine Promotion vorrausgesetzt". Nur bei Prominenten würde manchmal darauf verzichtet, sagt Jaroch. Solche Personen schmücken dann ja das Renomée der Hochschule.

Sollten Richter letztlich dafür sorgen, dass Annette Schavan ihren Doktortitel verliert, würde die CDU-Politikerin allerdings noch ein paar Dr.-Titel vor ihrem Namen aufreihen können - genauer: "Dr. h.c." Schavans wissenschaftliche Reputation würde dies allerdings nicht retten, meint Matthias Jaroch: "Solche Titel sind nichts ehrenrühriges", aber ein wissenschaftlich erworbener Titel "steht eben auf einem anderen Blatt", sagt er.

Erstmals wurde Schavan im Jahr 2008 von der Philosophischen Fakultät der Universität Kairo die Ehrendoktorwürde verliehen. Es folgten 2010 die Tongji-Universität in Shanghai und 2011 die Meiji Universität in Japan und die Hebräische Universität Jerusalem. Schavans Ausweis dürfen diese Titel jedoch nicht aufwerten, weiß man beim Hochschulverband: "In den Personalausweis dürfen nur akademische Titel eingetragen werden, keine Ehrengrade."