Berlin. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), hält die Bundeswehr angesichts zahlreicher Auslandseinsätze und weitreichender Umstrukturierungen für überlastet und tief verunsichert. “Eine Verbesserung der Stimmung in der Truppe zeichnet sich nicht ab.“
Auch in Zukunft bleiben Bundeswehrsoldaten länger in Auslandseinsätzen als vorgesehen. Sorge bereite auch die Häufigkeit der Einsätze, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, am Dienstag bei der Vorstellung seines Jahresberichts. Das Ziel, die Soldaten maximal vier Monate in Auslandseinsätze zu schicken und ihnen danach eine mindestens 20 Monate dauernde Erholungszeit in der Heimat zu gewähren, sei nur begrenzt erreicht worden. Diese Vorgaben seien bei den Verpflichtungen im Ausland durchgängig nicht zu erreichen, sagte Königshaus.
Als Beispiel für die regelmäßige Überziehung der Einsatzdauer führte er die 13. Panzergrenadierdivision auf, die in Afghanistan stationiert ist. Über die Hälfte der Soldaten sei über sechs Monate im Einsatz. Defizite gebe es auch bei der psychologischen Betreuung der Rückkehrer. Die Zahl der traumatisierten Soldaten habe mit 1143 im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht.
Der Flotte fehlen 700 Marinesoldaten
Die Marine sei wegen Personalmangel besonders durch Auslandseinsätze belastet, berichtete Königshaus weiter. So sei bei der Einsatzflottille 2 mehr als jede fünfte Stelle eines Maates unbesetzt. Fehlendes Personal werde bei Auslandseinsätzen von anderen Einheiten ausgeliehen. Deswegen seien diese stark ausgedünnt. Insgesamt fehlten der Flotte 700 Marinesoldaten.
Ihren größten Auslandseinsatz hat die Bundeswehr in Afghanistan. Allein dort sind über 4000 Soldaten stationiert. Die Marine beteiligt sich zudem am internationalen Einsatz gegen Piraten am Horn von Afrika. Auch im Kosovo ist die Bundeswehr seit Jahren engagiert.
Die Reform der Bundeswehr von einer Armee im Kalten Krieg mit Wehrpflichtigen hin zu einer Freiwilligenarmee mit neuen Aufgaben verunsichere die Soldaten, erklärte der FDP-Politiker. Durch die Umstrukturierungen, die mit häufigen Ortswechseln verbunden seien, hätten die Soldaten keine Planungssicherheit für ihr Privatleben. Problematisch sei auch die Kinderbetreuung wegen der familienunfreundlichen Dienstzeiten. Der Wehrbeauftragte wies darauf hin, dass die Scheidungsrate unter Bundeswehrangehörigen besonders hoch sei.
Schlechte Stimmung bei der Bundeswehr
In den Streitkräften ist die Stimmung nach Darstellung des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus, nach der Bundeswehrreform im Keller. Dies sei bei fast allen Dienstgraden zu spüren, stellt der FDP-Politiker in seinem am Dienstag vorgelegten Jahresbericht 2012 fest. In zwei wissenschaftliche Untersuchungen sei dies bestätigt worden. "Insbesondere die Dienst- und Einsatzbelastung hat vielfach die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, teilweise bereits überschritten. Eine Verbesserung der Stimmung in der Truppe zeichnet sich nicht ab."
Königshaus beklagte auch "gravierende Mängel" bei der Führung der Truppe. Bei der Ahndung von Dienstvergehen werde in Einzelfällen zweierlei Maß angewandt. Das führe zu dem Eindruck, "dass - bildhaft gesprochen - die "Kleinen" gehängt werden und man die "Großen" laufen lasse".
Nach dem Jahresbericht stieg die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle von 63 auf 67 leicht an. Meistens habe es sich dabei um Propaganda-Delikte gehandelt, etwa "Sieg Heil"-Rufe. Zusätzliches Augenmerk gibt die Bundeswehr laut Königshaus auch den Fällen von sexueller Gewalt oder Belästigung in der Bundeswehr. Es dürfte, wie in der Gesellschaft insgesamt, eine nicht unerhebliche Dunkelziffer geben, dazu wolle die Bundeswehr eine Untersuchung auf den Weg bringen.
2012 seien in 50 Fällen "Besondere Vorkommnisse" mit sexuellem Bezug gemeldet. In 16 Fällen seien Soldatinnen Opfer und Soldaten Täter gewesen. Vergewaltigungen seien aber wie in den Vorjahren die absolute Ausnahme. Königshaus wies darauf hin, im vergangenen Jahr seien vier Fälle mit Verdacht auf Kinderpornographie gemeldet worden. Soldaten sei der der Besitz und zum Teil die Verbreitung kinderpornographischer Bilder und Videos vorgeworfen worden.
Positiv bewertete der Wehrbeauftragte Verbesserungen bei der Ausrüstung der Truppe im Einsatz. Dies habe dazu beigetragen, dass in Afghanistan seit Mitte 2011 kein deutscher Soldat mehr getötet wurde. Auch die Versorgung Verwundeter lobte Königshaus. Allerdings bemängelte er, dass die Behandlung traumatisierter Soldaten weiterhin zu wünschen übrig lasse. Noch immer fehle es an Psychologen und Psychotherapeuten, während die Zahl traumatisierter Soldaten im vergangenen Jahr auf einen Höchststand von 1143 gestiegen sei. (dpa/rtr/dapd)
Ausbilder vom Hindukusch