Berlin. . Mit einem Coup hat sich Philipp Rösler nach der Niedersachsen-Wahl seinen Posten als FDP-Chef gesichert. Trotz des Erfolgs hatten Kritiker einen Sturz Röslers erwartet – doch er bot seinem potenziellen Rivalen Rainer Brüderle seinen Job an und setzte ihn so unter Druck. Jetzt wollen beide gemeinsam die FDP in den Wahlkampf führen.
Es ist der zweite Triumph von Philipp Rösler: Nach dem Wahlerfolg in Niedersachsen sichert sich der 39-Jährige mit einem Coup gestern den Rückhalt der FDP-Spitze für ihn als Parteichef. Rösler bleibt – und zwingt den potenziellen Rivalen, Fraktionschef Rainer Brüderle, als „Spitzenmann“ für den Bundestagswahlkampf an seine Seite.
„Ich bin froh und dankbar, dass wir gemeinsam als Team die FDP in den Wahlkampf führen wollen“, sagt Rösler nach fünfstündigen Beratungen der Parteiführung. Doch von „wollen“ kann bei seinem Teampartner lange nicht die Rede sein. Der Entscheidung ist ein harter Machtpoker vorausgegangen: Führende Liberale hatten bereits am Wahlabend erkennen lassen, dass sie auch nach dem Erfolg Rösler aus dem Führungsamt drängen wollen.
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„Bizarre Szenen“ in der Parteizentrale
Teilnehmer berichten von „bizarren Szenen“ in der Parteizentrale, in denen Führungsleute – voran Entwicklungsminister Dirk Niebel – die Hochrechnungen im Fernsehen mit offenem Entsetzen verfolgt hätten, weil damit ein Sturz Röslers schwieriger geworden war. Rösler selbst sucht noch in der Wahlnacht das Gespräch mit Brüderle. Der Fraktionschef hatte erst am Freitag für das Vorziehen des für den Mai geplanten Parteitags geworben, was als Kampfansage an Rösler verstanden wurde.
Doch Brüderle äußert sich Rösler gegenüber nicht klar zu seinen Absichten. In Parteikreisen heißt es, Brüderle habe noch gehofft, dass NRW-Parteichef Christian Lindner für den Vorsitz kandidiert. In der Präsidiumssitzung gestern Morgen sucht Rösler dann die Entscheidung: Er bietet Brüderle überraschend an, nicht nur die Spitzenkandidatur zu übernehmen, sondern auch den Parteivorsitz: „Ich bin bereit, zur Seite zu treten.“ Führende Liberale sprechen von einem „Showdown“: Brüderle müsse springen oder er verliere seine Autorität. Doch Brüderle springt nicht: In einem Vier-Augen-Gespräch schlägt er den Vorsitz aus, akzeptiert aber die Spitzenkandidatur an Röslers Seite.
Aus mehreren Landesverbänden der FDP habe Brüderle Signale empfangen, dass auch er als Vorsitzender auf Widerstände stoßen würde, berichten Insider. Nach den Sitzungen sagt Brüderle: „Es war nicht meine Absicht, Parteivorsitzender zu werden.“ Stattdessen hilft er, Rösler die Macht zu sichern und ihm die Bürde des Wahlkampfs abzunehmen.
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„Brüderle hat gekniffen“
Brüderle werde als Spitzenmann „das Gesicht und der Kopf der Partei im Wahlkampf“ sein, er selbst werde als Parteichef das gesamte Team führen, so Rösler. Brüderle sagt, wie im Fußball gelte in der Politik: „Der Kapitän ist der Parteivorsitzende. Die Sturmspitze ist der Spitzenmann, der vorne die Tore schießen soll, das bin ich.“ Ein vorgezogener Parteitag Anfang März soll die Rochade bestätigen. Christian Lindner ist als Parteivize im Gespräch.
Offiziell loben Liberale die „kluge Lösung“, hinter vorgehaltener Hand heißt es: „Brüderle hat gekniffen.“