Berlin/Hannover. . Riesen-Erleichterung bei FDP-Chef Philipp Rösler, Entwarnung auch für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Die Niedersachsen-Wahl ist für beide Spitzenpolitiker doch nicht zum Debakel geworden. Doch bei den Parteien in Berlin besteht nicht durchweg Grund zur Freude.

Lauter Jubel brandet in der FDP-Zentrale auf, als die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert. Zehn Prozent für die FDP, damit haben nach dem Theater der vergangenen Wochen wohl nicht einmal die kühnsten Liberalen gerechnet. "Das Rennen hat jetzt erst begonnen", ruft Rösler im Thomas-Dehler-Haus sichtlich erleichtert in die Runde. Seine Kritiker, allem voran Fraktionschef Rainer Brüderle und Entwicklungsminister Dirk Niebel, erwähnt er mit keinem Wort. Beide machen gute Miene zum bösen Spiel und applaudieren am Rande stehend mit gequältem Gesichtsausdruck.

Röslers Gegenspieler kann das Wahlergebnis nur bedingt erfreuen. Denn nun dürfte es schwer werden, den Parteichef zum Rückzug zu bewegen - obwohl die FDP das Traumergebnis den Leihstimmen von CDU-Wählern verdankt. Rösler sei stabilisiert und gestärkt, meinen mehrere Abgeordnete. Selbst Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki stärkt Rösler den Rücken. Nun habe man "alle Zeit der Welt", um sich die FDP für die Bundestagswahl "optimal" aufzustellen. Von einem vorgezogenen Parteitag will Kubicki nichts mehr wissen.

Niebel bleibt bei seiner Kritik am Parteichef

Niebel, der am Dreikönigs-Treffen der Liberalen Rösler massiv attackiert hatte, bleibt aber bei seiner Kritik. Auch bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein habe die FDP sehr gute Ergebnisse erzielt. Im Bund aber habe man davon nicht profitiert, sagt Niebel.

So ähnlich sehen sie es auch in der SPD. Peer Steinbrück ist offenbar mehr als ein Stein vom Herzen gefallen, als er zusammen mit Parteichef Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus vor die Genossen tritt - ein zuletzt befürchtetes Debakel ist es nicht für die SPD geworden, der Sturz des Kandidaten ist erstmal für niemanden ein Thema mehr. Steinbrück macht gleich deutlich, dass er nicht aufgibt: "Das Ergebnis gibt uns Rückenwind für die Bundestagswahl", ruft er, "ich bin verlässlich und will mit euch gewinnen." Der Rückenwind ist da: Die SPD stellt den neuen Regierungschef, hat keine Stimmen verloren, sondern zugewonnen, und die Linke konnte aus dem Landtag gehalten werden.

Die SPD will sich endlich "unterhaken"

Gabriel, der sich am Freitagabend zum Krisengespräch mit Steinbrück getroffen hatte, gibt in aufgeräumter Stimmung Schützenhilfe: "Alle Unkenrufe, die Bundes-SPD sei sozusagen für einen dramatischen Wahlverlust der Niedersachsen-SPD verantwortlich, sind Unsinn gewesen." Aber Gabriel fügt ähnlich wie andere Spitzenleute hinzu: Rückenwind habe Berlin auch nicht gegeben. "Das muss sich ändern", fordert Generalsekretärin Andrea Nahles. Steinbrück gibt sich in Maßen reumütig: Am fehlenden Rückenwind "trage ich maßgeblich eine gewisse Mitverantwortung." Jetzt müsse sich die SPD "unterhaken" und mit den Themen punkten, die Menschen "unter den Nägeln brennen", ruft Steinbrück.

Bei der CDU in Berlin ist die Bilanz am Wahlabend angesichts der Zitterpartie gedrückt. Generalsekretär Hermann Gröhe lobt zwar die "Aufholjagd" von Schwarz-Gelb und betont, dass die CDU weiter stärkste Partei ist. Aber das Ausmaß, in dem die Christdemokraten Stimmen verloren haben, nicht nur an die FDP, gibt auch den Parteistrategen in Berlin zu denken. Für den Start ins Bundestags-Wahljahr hatten sich die Unions-Strategen ein anderes Signal gewünscht - zumal die Unruhe beim liberalen Koalitionspartner nicht vorüber sein dürfte.

Grüne können nur verhalten jubeln

Grund zum verhaltenen Jubel herrscht bei den Grünen. Sie haben zwar mit Abstand ihr bestes Wahlergebnis in Niedersachsen eingefahren, doch wegen der anhaltenden Schwäche der SPD auf Bundesebene bleiben sie vorsichtig. . Parteichefin Claudia Roth versucht es mit einem positiven Ausblick für die Bundestagswahl: Das Ergebnis in Nidersachsen zeige, dass ein Wechsel möglich und denkbar sei.

Katerstimmung bei der Linken. Sie fliegt wie zuletzt auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen aus dem Landtag. "Es gibt nichts zu beschönigen, das Ergebnis ist für uns schmerzhaft", sagt Parteichef Bernd Riexinger. Eine bittere Schlappe fahren auch die Piraten ein, die sich in den vergangenen Monaten selbst zerlegten. "Wir sind enttäuscht, doch sehen wir jetzt auch nicht dem Ende der Welt entgegen", sagt Parteichef Bernd Schlömer.