Hannover. Ein äußerst knapper Ausgang im Landkreis Hildesheim hat den Ausschlag bei der Landtagswahl in Niedersachsen gegeben. Dort hatte der SPD-Kandidat 334 Stimmen mehr als der CDU-Mann. Derweil muss Angela Merkel nach der Niedersachsen-Wahl um wichtige Gesetze zittern, die durch den Bundesrat müssen.
Ihren hauchdünnen Vorsprung von nur einem Mandat im niedersächsischen Landtag haben SPD und Grüne nur wenigen Wählerstimmen zu verdanken. Im Landkreis Hildesheim bekam SPD-Kandidat Bernd Lynak gerade einmal 334 Erststimmen mehr als CDU-Konkurrent Frank Thomas Wodsack.
Hätte die CDU diesen Wahlkreis gewonnen, hätte das dem schwarz-gelben Lager auch bei vollem Ausgleich der Überhangmandate eine Mehrheit gesichert, sagte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen am Montag. "Man kann sagen, dass 334 Wähler die Wahl entschieden haben."
Bei der Landtagswahl 2008 war in diesem Wahlkreis noch Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) gegen Jutta Rübke (SPD) angetreten und hatte mit 40,4 Prozent deutlich gewonnen. Seine Konkurrentin hatte 3223 Stimmen weniger bekommen (32,7 Prozent). (dpa)
Merkel muss nach Niedersachsen zittern
"Wir waren heute ein Stück weit traurig", sagte die ansonsten so nüchterne Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie am Montag nach der CDU-Präsidiumssitzung vor die Presse trat. Und man sah ihr an, wie sehr sie die Niederlage von David McAllister bei der Niedersachsen-Wahl am Sonntag getroffen hat. Zum einen erlebte sie ein Wechselbad der Gefühle, weil CDU und FDP am Sonntagabend in dem äußerst knappen Rennen erst wie Sieger aussahen und dann doch noch verloren. Zum anderen hat ihr die Bildung einer neuen rot-grünen Landesregierung in Hannover den Auftakt zum Bundestagswahlkampf verdorben, in dem sie sich im September selbst zur Wahl stellen muss.
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Und drittens ist ihr - zumindest vorübergehend - einer der wenigen Hoffnungsträger in der Partei abhanden gekommen. Noch nie hat sie einem Wahlverlierer ein derart gutes Zeugnis ausgestellt wie dem 42-Jährigen. "David McAllister gehört zu den fähigsten, besten Köpfen der CDU", sagte sie am Montag. Und dann fügte sie vieldeutig hinzu: Im Vergleich mit ihr sei McAllister ein junger Mann. "Insofern gehört ihm die Zukunft, an welcher Stelle auch immer." Das ist deshalb vieldeutig, weil CSU-Chef Horst Seehofer dem Mann mit schottischen Wurzeln im Wahlkampf auch schon das Zeug zum Kanzler bescheinigt hatte. Nur muss Merkel überlegen, welche Weiterverwendung sie für McAllister eigentlich derzeit hat.
Gescheitert ist mit der knappen Wahlniederlage auch ihr Plan, den Wahlkampf in Niedersachsen zum Modell für andere, zerstrittene CDU-Landesverbände und eben die Bundestagswahl zu erklären.
Wer hält Merkel als Kanzlerin?
Dafür gab es am Montag andere, harte Ankündigungen. Im Bundestagswahlkampf, das machten Merkel und anderen CDU-Politiker klar, wird es keine auch noch so subtile Leihstimmenkampagne für die FDP geben wie in Niedersachsen. "Ich habe immer wieder gesagt,...dass die FDP ihren Weg finden wird. Das gilt im Bund wie für Niedersachsen", warnte Merkel. Als Ergebnis der Debatten im Präsidium kündigte sie an, dass die Schonzeit für die FDP wohl vorbei ist. Denn die Lehre aus der Niedersachsen-Wahl sei, dass CDU und FDP nicht dieselben Wählergruppen ansprechen dürften, sondern die Basis möglicher Wähler erweitern müssten. Das heißt aber nicht anderes, als dass sich beide Parteien stärker voneinander abgrenzen dürften.
In der Union wird das schon deshalb als nötig angesehen, weil im Bund wegen des erwarteten Einzugs der Linkspartei und einem möglichen Abdriften der FDP in eine Ampelkoalition ohnehin anders kalkuliert werden muss: Das Ziel von CDU und CDU bei der Bundestagswahl ist nur noch eines - Merkel muss Kanzlerin bleiben, notfalls eben auch mit anderen Partnern als der FDP.
Merkel liegt deutlich vor Steinbrück
Die Wahlniederlage in Niedersachsen birgt für die Bundeskanzlerin aber noch weitere Lehren. So hat das Ergebnis für McAllister gezeigt, dass sich gute persönliche Zustimmungswerte eben nicht unbedingt in Stimmen für die CDU ummünzen lassen. Während SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Last im sozialdemokratischen Wahlkampf belächelt worden war, zeigt sich nun, dass auch der demonstrative und intensive Einsatz der Bundeskanzlerin und das betont loyale Auftreten McAllisters gegenüber seiner Parteichefin sich nicht auszahlten.
Das erschüttert die bisherigen Grundüberzeugungen vieler Unions-Politiker für die richtige Aufstellung für die Bundestagswahl. Denn die Stimmung in der Bundes-Union war in den vergangenen Wochen deshalb so überschäumend gewesen, weil Merkel in den persönlichen Werten sehr deutlich vor Steinbrück liegt. Vorsorglich kündigte die Parteichefin eine Rückbesinnung auf die Kernthemen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und innere Sicherheit an.
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Dazu kommt, dass sich nach Niedersachsen der Blick auf ihre eigenen Machtoptionen dramatisch verengt. Auf den ersten Blick bestätigt der Verlust der Regierung in Hannover zwar Merkels Argument, dass Union und FDP nur dann eine Chance haben, wenn sie sich klar zu einem Bündnis bekennen. Aber die Wähler bei der Bundestagswahl wissen nun, dass eine Bestätigung der bisherigen Bundesregierung ihnen zunächst einmal einen Stillstand bringen würde. Denn mit dem Verlust von Niedersachsen hat Merkel kaum noch eine Chance, wichtige Gesetze ohne weitreichende Zugeständnisse an SPD und Grüne durch den Bundesrat zu bringen. Erst 2014 stehen wieder Wahlen an, bei denen das Pendel in der Länderkammer wieder langsam in Richtung der Union schwingen könnte. Und ausgerechnet die Niedersachsen-Wahl hat mit dem guten Abschneiden der FDP gezeigt, wie taktisch deutsche Wähler stimmen können. (rtr)
CDU-Mann Brok: "FDP soll sich nicht als Wahlsieger aufspielen"
Elmar Brok, Europaabgeordneter und Präsidiumsmitglied der Bundes-CDU, hat an die FDP appelliert, sich in Niedersachsen nicht als Wahlsieger aufzuspielen. Die Liberalen hätten ihr Ergebnis mit "ungewollten Leihstimmen" erzielt, sagte Brok der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitungh Neue Westfälische.
Das knappe Wahlergebnis von Hannover sei für das Bundestagswahljahr "nicht kriegsentscheidend", ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlamenst überzeugt. Dass die Berliner Koalition nun mit einer anderen politischen Mehrheit im Bundesrat zurechtkommen muss, hält Brok für nicht dramatisch: "Das hat es immer mal gegeben." Brok sieht trotz des Wahlausgangs in Hannover gute Chancen für einen Machterhalt von Schwarz-Gelb in Berlin. (dpa)