Istanbul. . Der Türkische Geheimdienst verhandelt mit PKK-Chef Abdulla Öcalan über Entwaffnung der kurdischen Kämpfer. Der in Haft sitzende Gründer der kurdischen Untergrundorganisation erhofft sich von den Gesprächen sogar eine Begnadigung.
Im Frühjahr erwacht der Kampfeswille der kurdischen PKK erst richtig. Wenn der Schnee in den Bergen der Südosttürkei schmilzt, machen die Rebellen mobil. So war es zumindest in früheren Jahren. Diesmal könnte es anders sein. Denn die Regierung in Ankara verhandelt mit dem PKK-Gründer Abdulla Öcalan über eine Entwaffnung. Öcalan sitzt zwar bereits seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft, zieht aber in der PKK immer noch viele Fäden und hat für Millionen Kurden Heldenstatus. Ziel der Gespräche sei es, dass die PKK-Rebellen in diesem Frühjahr ihre Waffen für immer niederlegen, berichtet die Zeitung „Hürriyet“.
Offiziell heißt es zwar, der Staat verhandele nicht mit einer Terrororganisation – als solche wird die PKK von der Türkei, der EU und den USA eingestuft. „Ich als Politiker könnte solche Gespräche nicht führen, aber der Staat hat Agenten, und sie führen solche Gespräche“, erklärte Ministerpräsident Tayyip Erdogan vergangenen Freitag in einem Fernsehinterview. Die Verhandlungen mit „der Insel“, wie Erdogan unter Anspielung auf Öcalans Aufenthaltsort sagte, dauerten noch an. Man werde sie fortsetzen, „so lange wir einen Hoffnungsschimmer sehen“.
Dauerhafter Frieden angestrebt
Schon seit mehreren Jahren führen ranghohe Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes Gespräche mit Öcalan. Es gab auch mehrere Geheimtreffen mit anderen Schlüsselfiguren der PKK in Oslo. Konkrete Ergebnisse kamen dabei nicht heraus – bis zum vergangenen November: Damals appellierte Öcalan nach Geheimverhandlungen öffentlich an Hunderte kurdische Häftlinge, ihren Hungerstreik abzubrechen. Sie folgten seinem Aufruf sofort.
Kurden-Demo in Dortmund
Bei den jetzt geführten Gesprächen gehe es nicht um eine vorübergehende Waffenruhe, unterstreicht Erdogans Chefberater Yalcin Akdogan, sondern um eine dauerhafte Beendigung des Konflikts, der seit 1984 fast 45.000 Menschenleben gefordert hat. Akdogan räumte ein, es sei unmöglich, die PKK „allein militärisch zu besiegen“. Öcalan sei eine „Schlüsselfigur“ bei den Bemühungen, die Rebellen zu einer Entwaffnung zu bewegen. Sie wird für das Frühjahr angestrebt. Wie das im Detail aussehen könnte, ist noch unklar. Ranghohen PKK-Funktionären und Kommandeuren könne man anbieten, ins Exil zu gehen, schreibt „Hürriyet“. Dafür kämen aber nur Länder in Frage, die keine gemeinsamen Grenzen mit der Türkei hätten und nicht der EU angehören.
Öcalan stellt Bedingungen
Das letzte Treffen der Geheimdienstler mit Öcalan habe am 23. Dezember stattgefunden und vier Stunden gedauert, berichten türkische Medien. Öcalan verlange als Vorbedingung bessere Haftbedingungen und direkten Kontakt mit der PKK, heißt es. Möglicherweise macht sich der PKK-Gründer auch Hoffnung auf eine Begnadigung. Öcalan wurde 1999 von türkischen Agenten in Kenia aufgespürt und wegen Hochverrats zunächst zum Tode verurteilt. Nach der Abschaffung der Todesstrafe wurde das Urteil 2002 in lebenslange Haft umgewandelt.
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Nachdem der Kurdenkonflikt 2012 stark eskalierte und kaum eine Woche vergeht, ohne dass türkische Soldaten bei PKK-Anschlägen und Gefechten mit den Rebellen sterben, steht Premier Erdogan unter großem Druck, eine friedliche Lösung zu finden. Unklar ist aber, wie weit Erdogan dabei gehen will und gehen kann. Die von vielen Kurden geforderte politische Autonomie gilt bisher als Tabu. Fraglich ist auch, was Öcalan tatsächlich bewirken könnte. Sein Wort hat zwar Gewicht in der PKK, wie die Beendigung des Hungerstreiks zeigte. Aber offen ist, ob sich der militante Flügel der PKK einem Appell Öcalans zur Entwaffnung fügen würde.