Ankara. Der Kurdenkonflikt in der Türkei droht sich durch eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts zu verschärfen. Die Richter haben am Freitag die im Parlament vertretene Kurdenpartei DTP verboten. Die Entscheidung hat am Abend Proteste ausgelöst.

Das türkische Verfassungsgericht hat am Freitag die im Parlament vertretene Kurdenpartei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) verboten und deren Auflösung angeordnet. Nach Angaben des Gerichts in Ankara fällten die elf Richter die Entscheidung, die die Lösung des Kurdenkonflikts erschweren dürfte, einstimmig. Parteichef Ahmet Türk kritisierte das Urteil, in Diyarbakir protestierten rund tausend Menschen.

Die DTP sei zum «Brennpunkt von Aktivitäten gegen die unteilbare Einheit des Staates, des Landes und der Nation» geworden, sagte Gerichtspräsident Hasim Kilic in Ankara vor Journalisten. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte das Verbot gefordert, weil die DTP ihrer Ansicht nach als politischer Arm der Rebellenorganisation PKK fungiert.

Immunität aufgehoben und Politik-Verbot verhängt

Die Verfassungsrichter hoben die parlamentarische Immunität von Türk und der Abgeordneten Aysel Tugluk auf. Gegen Türk und 36 weitere Mitglieder verhängte das Gericht zudem ein fünfjähriges Politik-Verbot. Das Parteivermögen soll an den Fiskus gehen.

Türk sagte, das Verbot werde die «Hoffnungslosigkeit verstärken» und nicht zu einer Lösung des seit 25 Jahren schwelenden Kurdenkonflikts beitragen. Die Türkei könne die Kurdenfrage nicht lösen, indem sie Parteien verbiete, sagte er vor Journalisten und warnte vor sozialen Unruhen. Die DTP will am Samstag über das Urteil beraten.

Die DTP ist seit 2007 mit 21 Abgeordneten im Parlament vertreten und bildet dort die erste kurdische Fraktion der türkischen Geschichte. Sie macht sich für eine Lösung des Kurdenkonflikts stark. Trotz häufiger Aufforderungen durch andere Parteien und EU-Vertreter distanzierte sich die DTP aber nie eindeutig von der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Erdogan hat sich gegen Parteiverbot ausgesprochen

Mit ihrer Initiative zur friedlichen Beilegung des Kurdenkonflikts will die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den zwölf Millionen Kurden mehr Sprachfreiheit und andere demokratische Rechte gewähren. So sollen Kommunen im Kurdengebiet das Recht erhalten, ihre vor Jahren durch türkische Bezeichnungen ersetzten alten Namen wieder einzuführen. Im Wahlkampf und im religiösen und sozialen Leben soll der Gebrauch des Kurdischen erlaubt werden. Erdogan hatte die DTP wegen ihrer Haltung zu seiner Initiative kritisiert, zugleich aber betont, er sei gegen Parteiverbote.

Der politische Analyst Ahmet Insel sieht durch das Urteil die Annäherung zwischen Kurden und der Regierung gefährdet. Die Entscheidung werde die «demokratische Öffnung vollkommen torpedieren», sagte er. Zudem sei mit einer Reaktion der PKK zu rechnen.

In Diyarbakir, der größten Stadt des Kurdengebiets, protestierten nach der Verkündung des Urteils rund tausend Menschen und riefen zu «Rache» auf. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor. Auch vor einem DTP-Büro in Istanbul gab es Proteste. (afp)