Newtown/Washington. Bei einer Schießerei an einer Grundschule im US-Staat Connecticut hat es am Freitag mindestens 27 Tote gegeben, darunter der Schütze und mindestens 20 Kinder. Der Mann soll in der Schule auch seine Mutter, eine Lehrerin, erschossen haben. Die Hintergründe der Tat sind unklar.
Der frühere Leiter der Sandy Hook-Grundschule in Newtown hatte die Eltern der 700 dort unterrichteten Kinder zwischen fünf und zehn Jahren erst vor einigen Monaten angeschrieben und ihnen die neuesten Sicherheitsvorkehrungen erklärt. Danach, so heißt es in dem Schreiben, aus dem US-Medien zitieren, bleiben zur Unterrichtszeiten die Türen und Fenster geschlossen, Besucher müssen sich ausweisen und in eine Namensliste eintragen; auch Väter und Mütter von Schulkindern. Sicher ist sicher.
Wie Adam Lanza, ein 20-Jähriger, die Schutzmaßnahmen am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr (Ortszeit) in der beliebten Lehranstalt 120 Kilometer nordöstlich von New York in abscheulicher Absicht umgehen konnte, wird weiter noch untersucht. Der ganz in Schwarz und mit einer schusssicheren Weste ausstaffierte Urheber des bisher schlimmsten Amoklaufs an einer amerikanischen Schule gehört zu den 27 Toten, die Polizei-Sprecher Paul Vance am Nachmittag mit tränenerstickter Stimme inoffiziell bestätigte.
Schießerei an US-Grundschule
Auch die Mutter des mutmaßlichen Täters starb bei dem Massaker
20 Kinder und sechs Schulbedienstete haben das Massaker nicht überlebt, als der Mann mit mehreren Waffen, darunter ein großkalibriges Gewehr, das Feuer eröffnete. Auch der Schütze starb. Einen weiteren Toten soll es außerhalb des Schulgeländes gegeben haben.
In den Stunden nach dem Blutbad gingen die Informationen über die Details und Hintergründe weit auseinander. Erst berichten US-Medien, dass Ryan Lanza der Schütze war. Später scheint nach übereinstimmenden US-Medienberichten - unter Berufung auf anonyme Polizei-Quellen - klar zu sein, dass der Täter dessen jüngerer Bruder Adam (20) war.
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Ob Ryan lebt und noch in Polizeigewahrsam ist oder tot, erschossen angeblich vor dem Amoklauf von seinem Bruder oder einer dritten Person, wie einzelne Medien melden, ist nicht klar. Ganz ohne Bestätigung war bis in die Nacht (deutscher Zeit) die Meldung, dass auch der Vater von Lanza erschossen worden sei. Bestätigt ist, dass Nancy Lanza, die Mutter des Täters, in der Schule beschäftigt war als Kindergärtnerin und bei der Tragödie ums Leben kam.
Schütze wurde tot in einem Klassenraum gefunden
Und auch das steht schon fest: Die Tragödie im Bundesstaat Connecticut übersteigt bei weitem das Ausmaß des Blutbads, das am 20. April 1999 zwei Teenager in der Columbine Highschool in Littleton/Colorado verübt hatten. Damals starben zwölf Mitschüler und ein Lehrer. Die Täter richteten sich selbst. Ob Lanza seinem Leben ebenfalls ein Ende setzte oder ob der junge Mann, über dessen Biografie und Motive zunächst so gut wie nichts bekannt war, von der Polizei erschossen wurde, ist noch unklar. Man fand ihn tot in einem Klassenzimmer.
Die Nachricht von einem „schweren Zwischenfall“ verbreitete sich via Medien wie ein Lauffeuer am frühen Morgen in der ausgesprochen wohlhabenden Gegend, die wegen ihrer guten Erreichbarkeit von den Stränden der Atlantikküste und einem 300 Jahre alten, idyllischen Stadtkern sehr gefragt ist. Dutzende Eltern parkten binnen weniger Minuten an der weiträumig abgesperrten Schule; auf der Suche nach Nachrichten über ihre Kinder. Chaotische, gespenstische Augenblick folgten. Tränen der Verzweiflung flossen in Strömen, als immer mehr Notarztwagen und bis an die Zähne bewaffnete Sicherheitskräfte eintrafen; beobachtet von Hubschraubern. Und Dutzenden Fernsehkameras. „Das Warten bringt mich um“, sagte eine Mutter.
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"Viele Kinder haben geschrien"
Mergim Bajraliu (17), der ganz in der Nähe wohnt und die ersten Schüsse hörte, konnte seine Schwester Vanessa unverletzt in die Arme schließen. Die Neunjährige berichtete den Reportern der Lokalzeitung „Hartford Courant“ von den bangen Minuten, die frisch hinter ihr lagen: „Die Polizei hat uns aus dem Klassenraum geführt und uns aufgetragen, uns an den Händen zu halten und die Augen zu schließen, bis wir draußen sind.“ Was sie andernfalls gesehen hätten, so ein Psychologe auf dem Sender CNN, hätte „ihr Trauma noch größer gemacht.“
Sicherheitskräfte berichteten von „Schauer-Szenen“ vor allem in dem Teil des Schul-Komplexes, in dem die Kindergartenkinder betreut werden. Die kleine Alexis Wasik, ebenfalls unverletzt, klagte über Bauchschmerzen, als ihre Eltern sie in Empfang nahmen. „Es hat ganz oft Bang, Bang gemacht, viele Kinder haben geschrien. Ich will hier weg.“
Präsident Obama kämpft mit den Tränen
Dass die Tragödie von Sandy Hook alle Dimensionen sprengen würde, drang früh bis in die Hauptstadt Washington durch. Jay Carney, der Sprecher von Obama, unterrichtete das Presse-Korps, dass sich der Präsident regelmäßig vom Stand der Dinge berichten lassen.
Gegen 15.30 Uhr trat Obama vor die Presse und hatte, ein absolutes Novum, große Mühe, die Tränen zu unterdrücken. „Diese Kinder hatten ihr ganzes Leben noch vor sich. Heute gibt es keinen Vater, keine Mutter in Amerika, der nicht fühlt, was ich fühle: unendliche Trauer.“ Obama betonte, dass das Land in der Vergangenheit zu häufig von solchen Katastrophen heimgesucht worden ist. „Wir müssen etwas Bedeutungsvolles tun, um so etwas in der Zukunft zu verhindern. Heute gilt unser Mitgefühl den Opfer und ihre Angehörigen.
Mutter des Täters unter den Opfern?
Vor Ort in Newtown mied Gouverneur Dannel P. Malloy lange die Medien. Sein Sprecher sagte, der Quasi-Ministerpräsident von Connecticut, kümmere sich persönlich um betroffene Eltern, versuche zu helfen, „wo es eben geht“.
Anmerkung der Redaktion: Im Laufe des Abends gab es aus den USA teilweise widersprüchliche Berichte und eine unsichere Faktenlage. Dieser Text ist daher mehrfach aktualisiert und überarbeitet worden.