Bochum. Die Stadt kann die Krise meistern, die das Ende von Opel verursacht hat. In den Branchen Gesundheit, Wissenschaft und Maschinenbau bieten sich viele Möglichkeiten, den Job-Verlust zu kompensieren.

Bochum ohne Opel. Was sich die Stadtführung und Bürger viele Jahre nicht vorstellen konnten – oder wollten – wird nun in vier Jahren wohl Realität. Selbst wenn Bochum nach 2016 noch eine Komponentenfertigung für Opel erhalten bleibt, die Masse der 3300 Arbeitsplätze wird verschwinden. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Stadt einen solchen Jobverlust verkraften müsste. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Bochum ist immer wieder auf die Füße gekommen.

Der Nokia-Schock ist noch gar nicht so lange her. 2008 schloss der finnische Mobilfunkhersteller sein Werk an der Stadtgrenze zu Herne. 2300 Jobs gingen verloren. Doch trotzdem steht Bochum, die im Vergleich zu Dortmund, Essen und Duisburg kleinere Revier-Stadt, gar nicht so schlecht da. Obwohl eingeklemmt zwischen der Dienstleistungsmetropole Dortmund mit seiner Versicherungswirtschaft und der Konzernstadt Essen (Evonik, RWE, Thyssen): Die Arbeitslosenquote ist bedeutend niedriger als bei den Nachbarn. „Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass in Bochum der Strukturwandel eher als in anderen Städten begonnen hat“, sagt Regionalforscher Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum.

Opel als Antwort aufs Zechensterben - und jetzt?

Die Antwort auf das Zechensterben Anfang der 1960er-Jahre war die Ansiedlung von Opel. Viele Kumpel fanden im Werk eine Beschäftigung. Nun muss Ersatz für den Autobauer gefunden werden. In dem Zirkel „Bochum Perspektive 2022“ arbeiten Stadt und Land daran, nach 2016 auf dem Betriebsgelände weitere Firmen ansiedeln zu können. Auch mit Hilfe von Geld, das Opel-Mutter General Motors als Ausgleich für die Werkschließung zahlen soll. Dennoch: „Eins zu eins sind diese Jobs nicht zu ersetzen“, sagt Julia Beuerlein, Sprecherin der IHK Mittleres Ruhrgebiet.

Diese Erfahrung hat auch Dortmund gemacht. Etwa 40 000 Menschen beschäftigte die Stahlbranche einst in der Stadt. Im größten Technologiezentrum Deutschlands rund um die Technische Universität sind mittlerweile 8500 Arbeitsplätze entstanden. Wirtschaftsförderer und Wissenschaftler feiern es trotzdem als gelungenes Beispiel für Strukturwandel, weil die einst arbeitsintensiven Jobs in der Industrie auf Grund der voranschreitenden Automatisierung nicht zu kompensieren sind.

Der Gesundheitssektor als Chance

So erhofft man sich auch in Bochum, dass die wachsenden Branchen Gesundheit, Wissenschaft und Maschinenbau zum erneuten Strukturwandel beitragen. Die Chancen stehen nicht schlecht, das Bochum auch aus diesem Tal herauskommt, sagt Jörg Bogumil, „wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden“.

Zwar beschäftigt der Gesundheitssektor bereits 24 000 Menschen, doch nach seiner Meinung müssten Stadt und Wirtschaftsförderung sich mehr engagieren, um die Vermarktung des Gesundheitscampus voranzubringen. An dem 200-Millionen-Euro-Projekt, das 1000 Jobs und 1000 Studienplätze bringen soll, ist auch das Land NRW beteiligt. Immerhin: der Bereich Medizintechnik umfasst in Bochum bereits über 100 Firmen.

Kleinteiligkeit treibt den Strukturwandel voran

Diese Ansiedlung von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist nach Ansicht von Wissenschaftlern für eine erfolgreiche Zukunft des gesamten Ruhrgebiets entscheidend. Wie Wirtschaftsgeograf Rudolf Juchelka von der Uni Duisburg-Essen ist auch Bogumil der Auffassung, dass im Revier zu lange die großen Konzerne gefördert worden seien und sich die Region von ihnen abhängig gemacht habe. Das Resultat: im Ruhrgebiet sind nur noch 22 Prozent der Jobs im Industriesektor beheimatet, um das sauerländische Arnsberg herum sind es 30 Prozent – verteilt auf viele Unternehmen.

Die Kleinteiligkeit ist bereits eine Antriebsfeder des Strukturwandels im Revier – somit auch für Bochum. In der Wissenschaft. An den Unis und Fachhochschulen an Rhein und Ruhr studieren mittlerweile 210 000 Studenten. Die akademische Hoffnung für eine Region, die eine halbe Million Jobs im Bergbau verloren hat. Trotz aller Konkurrenz um Fördermittel begreifen sich die Hochschulen gegenseitig als Chance. Innerhalb der Universitätsallianz Metropole Ruhr (Duisburg-Essen, Bochum, Dortmund) werden gemeinsame Projekte oder Stellenausschreibungen besprochen. So soll jede Uni ihre Schwerpunkte setzen können, von denen auch die Nachbarn in Kooperationen profitieren.

Was in der Wissenschaft funktioniert, ist für Bogumil bei den Städten nur per Zwang zu erreichen. „Es müsste Kooperationsauflagen für Städte geben, wenn sie Fördermittel beim Land beantragen. Sonst denkt jeder nur an sich, wenn es hart auf hart kommt.“ Das Revier müsse seine Gemeinsamkeiten begreifen und sich nicht gegenseitig ausspielen.

Wie 2009. Da freute sich Bochum nach dem Nokia-Abzug, einen Nachfolger für das Firmengelände gefunden zu haben. Roeser, ein Handelsunternehmen für Medizinprodukte, zog ein und brachte 300 Jobs – es kam aus Mülheim.