Düsseldorf/Essen. Mit der neuesten durch NRW-Behörden aufgekauften Steuer-CD macht der Staat Kasse. Sie enthält Angaben zu 750 Stiftungen und 550 weiteren Fällen mit einem Anlagevolumen von 2,9 Milliarden Euro. Finanzminister Walter-Borjans (SPD) feiert den harten Schlag gegen Steuerbetrüger als Erfolg der Landespolitik.
Der NRW-Finanzminister brauchte gestern nicht lange, um den jüngsten Coup der Staatsanwaltschaft Bochum in politischen Erfolg umzumünzen. „Es geht ja hier nicht um ein Kavaliersdelikt“, sagte Norbert Walter-Borjans im Landtag, wo er Interviews in Serie gab. Mit der aktuellen Auswertung der Steuer-CD sieht er den Beweis erbracht, „dass wir mit Datenträgern großen Steuerbetrügereien auf die Spur kommen“.
Es geht um fast drei Milliarden Euro
Im Dauerkonflikt um das Abkommen mit der Schweiz und den umstrittenen Ankauf von Silberlingen mit Steuersünder-Daten verbucht der SPD-Politiker einen Etappensieg, den er sichtbar auskostete. Massive Fälle von Betrug haben Bochumer Staatsanwälte und Wuppertaler Steuerfahnder aufgedeckt. Obwohl bisher erst 115 der auf der CD gespeicherten 1300 Fälle untersucht wurden, stießen Ermittler bereits auf Steuerhinterziehungen in Höhe von 204 Millionen Euro. Davon können deutsche Kunden der Großbank UBS noch für eine Betrugssumme von 130 Millionen Euro strafrechtlich verfolgt werden.
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Die NRW-Finanzverwaltung hatte die CD im Sommer für 3,5 Millionen Euro gekauft. Insgesamt enthält sie Angaben zu 750 Stiftungen und 550 weiteren Fällen mit einem Anlagevolumen von umgerechnet rund 2,9 Milliarden Euro. 80 Steuerfahnder waren an den Ermittlungen beteiligt. Dabei gab es Durchsuchungen in NRW, Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein.
"Das Loch muss gestopft werden"
Laut Staatsanwaltschaft haben die verdächtigten Personen bis auf wenige Ausnahmen die Vorwürfe bestätigt. Erst dank der Steuer-CD seien die Fahnder nach jahrelanger Suche fündig geworden, meinte Walter-Borjans. Eine Ratifizierung des Steuerabkommens mit der Schweiz lehnt er weiterhin ab wie auch den „Deal“ im Vermittlungsausschuss des Bundesrats, der auf Kosten ehrlicher Steuerzahler gehe. „Das Loch muss gestopft werden“, so der NRW-Minister, „am besten durch eine europäische Regelung.“
Die gestohlene und von NRW angekaufte CD ist von hoher Qualität. Sie ist vom „elektronischen Bildschirm abfotografiert“, bestätigt der Bonner Steueranwalt Jörg Schauf, der selbst fünf der in dem Verfahren Beschuldigten als Mandanten hat. Die CD enthalte Stiftungsurkunden, die Übersicht über das ganze Vermögen der Kunden und die Namen der Kundenberater – was jetzt noch Konsequenzen haben kann, denn die Bochumer Ankläger ermitteln auch gegen Unbekannt wegen Beihilfe. Möglicherweise kommen also auch noch die Kundenberater ins Visier der Fahnder.
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Eine der bisher ungeklärten Fragen ist auch in diesem Fall wieder das Zustandekommen des Aufkaufs der gestohlenen CD. Wie aktiv sind die Wuppertaler Steuerfahnder dabei tatsächlich gewesen? Haben sie die Daten nach einem Angebot nur entgegengenommen – oder haben sie zusätzlich Details beim Datenhändler „bestellt“, wie es Schweizer Bundesanwälte dem Wuppertaler Team im Fall der Credit Suisse-CD aus dem Jahr 2010 vorwerfen?
Welche Rolle spielt Lutz O.?
In der Schweiz sitzt der deutsche Informatiker Lutz O. (42) in Haft. Er wird beschuldigt, in einem anderen Fall – als Angestellter der Bank Julius Bär – Dateien entwendet und sie weiter nach Deutschland verkauft zu haben. O., der in Deutschland hohe Steuerschulden gehabt haben soll, arbeitete bis 2009 aber bei der UBS. Hatte O. also auch Zugang zu den jetzt angekauften UBS-Daten? Nach Schweizer Medienberichten fahnden die Berner Bundesanwälte überdies nach einem pensionierten deutschen Finanzbeamten, der in einem Golfclub bei Zug Kontakt mit Lutz O. aufgenommen haben soll.
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Der Bonner Anwalt Jörg Schauf will, sollte sich „diese Gemengelage“ der Gerüchte erhärten, die offenen Fragen in dem Verfahren gegen seine Mandanten thematisieren. Sicher ist aber, dass eine andere Behauptung aus NRW, die Bank UBS habe jüngst versucht, deutschen Kunden Singapur als Steuerparadies schmackhaft zu machen, so nicht stimmen kann. Der Vorwurf spielt in den Bochumer Akten nur noch eine Rolle am Rand.