Bern. . Das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz wurde im Bundesrat gestoppt. Die rot-grün regierten Länder bekräftigten ihre Kritik, das Abkommen lasse Steuerhinterzieher in der Schweiz zu großzügig davonkommen und biete zu viele Schlupflöcher. Die Reaktionen in der Schweiz sind teils heftig. Die Eidgenossen sehen sich als Opfer deutscher Innenpolitik – nicht zuletzt in Düsseldorf.

Die Erwartungen in der Schweiz waren groß: „Heute ist der Tag der Entscheidung“, hatte die Boulevardzeitung „Blick“ am Morgen noch getitelt. Als dann aber klar war, dass in Berlin der Bundesrat das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gestoppt hatte, reagierte die eidgenössische Politik zwar nicht überrascht, aber doch enttäuscht. Und die Kommentatoren hielten sich mit drastischen Formulierungen nicht zurück.

Während die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf staatsmännisch darauf verwies, dass das Verfahren in Deutschland ja noch nicht abgeschlossen sei und ihr Land weiter zu einer Übereinkunft mit Berlin bereit sei, griff die Schweizerische Bankiervereinigung verbal in die Vollen. „Wir sind das Nebenopfer einer innenpolitischen Debatte im Wahlkampf in Deutschland“, polterte Geschäftsführer Michel Dérobert.

„Innerdeutsches Hufgetrappel“

Auch die Zeitungs-Kommentatoren hielten sich auf den Internetportalen nicht zurück. Als „innerdeutsches Hufgetrappel“ und „säbelrasselnd zelebrierten Starrsinn“ brandmarkte etwa die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) das „Nein“ im Bundesrat. Das Blatt lässt keinen Zweifel daran, wen es für den Schuldigen hält: Die „sozialdemokratischen Polterer“ um NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. „Wer glaubt von Hehlern gestohlene Bankdaten kaufen zu müssen, macht sich unglaubwürdig“, so die NZZ.

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Nordrhein-Westfalen hatte in den letzten Jahren mehrfach in der Schweiz illegal erworbene CDs mit Daten deutscher Steuerhinterzieher angekauft und will dies auch weiterhin tun. „Wenn wir heute ,Nein’ sagen“, begründete Walter-Borjans gestern im Bundesrat seine Haltung, „wird das den Schweizer Banken mehr weh tun, als wenn das Abkommen zustande kommt.“

Das Steuerabkommen hätte vorgesehen, dass illegal in die Schweiz transferierte Vermögen pauschal mit einem Satz von 21 bis 41 Prozent nachversteuert werden müsste. Die Namen der Steuerhinterzieher wären den deutschen Behörden aber nicht übermittelt worden. Kapitalanlagen deutscher Steuerzahler bei Schweizer Banken hätten künftig genauso besteuert werden sollen wie im Inland. Dazu Walter-Borjans: „Mit uns ist ein Abkommen nicht möglich, bei dem sich ehrliche Steuerzahler wie Trottel vorkommen.“ Jetzt muss sich zeigen, ob im Vermittlungsausschuss noch eine Einigung zwischen Regierung und Opposition möglich ist.

Haftbefehle gegen Fahnder

Die Schweiz sieht sich seit längerem von den deutschen Gegnern des Abkommens wegen ihres Bankgeheimnisses an den Pranger gestellt. Im Frühjahr hatte die dortigen Behörden gekontert und erließ Haftbefehle gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder, die am Ankauf einer CD mit Daten von deutschen Steuerbetrügern beteiligt gewesen sein sollen. Die Schweiz wirft ihnen „nachrichtliche Wirtschaftsspionage“ vor.

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Gleichzeitig will die Schweiz politisch bald Fakten schaffen. Das Finanzministerium betonte gestern, man werde die Steuerabkommen mit Großbritannien und Österreich wie geplant am 1. Januar 2013 in Kraft setzen. Zudem würden die Verhandlungen mit Italien und Griechenland über eine ähnliche Vereinbarung forciert. Weitere Länder hätten Interesse.

Gegner der Steuer-Abkommen gibt es bei den Eidgenossen auch. So wollte ein Bündnis verschiedener politischer Gruppen die Verträgen mit Berlin, London und Wien per Volksabstimmung stoppen. Doch die Initiatoren bekamen die für ein Referendum notwendigen Stimmen nicht fristgerecht zusammen. (mit dapd)