Düsseldorf/Essen. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans kämpft um den Erfolg seiner Steuerfahndung. Doch der juristische Druck auf ihn wächst . Die Piraten behaupten, Borjans Milliarden-Deal mit der Eintreibung hinterzogener Steuern sei ein gr0ßer Bluff. Und die Schweiz ermittelt gegen NRW.

Am Dienstag wird Norbert Walter-Borjans wieder in seine Lieblingsrolle schlüpfen. Im Landtag darf sich der Finanzminister als konsequenter Eintreiber hinterzogener Steuer-Euros präsentieren. Wenn der SPD-Politiker dort mit dem Schweizer Botschafter Tim Guldimann und mit CDU-Mann Friedrich Merz über die Finanz- und Wirtschaftskrise diskutiert, dürfte sich viel um den Kauf von sechs Steuer-CDs durch NRW-Behörden drehen. Ein Millionen-Deal, den nun die Piratenfraktion als einzigen „Bluff“ zu enttarnen glaubt.

Zwar sind 903 Ermittlungsverfahren nach dem Kauf Schweizer Steuer-Daten abgeschlossen, doch nur elfmal endeten sie in einem Strafbefehl. Weitere 80 Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt. „Rund 90 Prozent der Steuer-CD-Verfahren wurden ohne Folgen für die Beschuldigten beendet“, bilanziert Pirat Daniel Schwerd. Er stützt sich auf offizielle Angaben des Finanzministeriums.

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„Piraten auf falschem Kurs“

Schwerd wirft Walter-Borjans vor, ihm gehe es bei seinem Konflikt mit den Eidgenossen nicht erstrangig um die Verfolgung von Straftätern. Vielmehr wolle er „Steuerhinterzieher erschrecken und zu Selbstanzeigen bewegen“. Auch die verhängten Geldstrafen von insgesamt 2,8 Millionen Euro, so der Pirat, deckten die Ausgaben von rund neun Millionen Euro für den Kauf der Steuer-Silberlinge bei weitem nicht ab.

Der Finanzminister hält dagegen: „Die Piraten sind auf falschem Kurs.“ Allein 6700 Selbstanzeigen hätten dem Fiskus bisher Zusatzeinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro beschert. Darüber hinaus, so eine Sprecherin, seien die gekauften Datensätze noch nicht vollständig ausgewertet und auch 73 Prozent der Ermittlungsverfahren noch im Gange. Bundesweit habe der Kauf von CDs zusätzlich drei Milliarden Euro in die Kassen gebracht – davon 2,5 Milliarden Euro durch Selbstanzeigen.

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Rechtliche Probleme

Inzwischen wachsen die rechtlichen Probleme, die die Landesregierung wegen des Ankaufs der Datensätze hat. Der deutsche Informatiker Lutz O., der in der Schweiz unter dem Verdacht festgenommen wurde, Daten der Bank Julius Bär entwendet und an NRW verkauft zu haben, soll ausgesagt haben, er sei dazu angestiftet worden. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat den Fall an sich gezogen. Das deutet darauf hin, dass sie hier nach dem Fall Credit Suisse aus dem Jahr 2010 einen weiteren Wirtschaftsspionage-Verdacht ge­gen NRW hat.

Außerdem hat der Düsseldorfer Steueranwalt Thomas Koblenzer im Fall Credit Suisse nicht nur Strafanzeige wegen Wirtschaftsspionage und Geldwäsche gegen Walter-Borjans, Vorgänger Helmut Linssen, den Gocher Notar Armin L. und mehrere Wuppertaler Steuerfahnder gestellt. Koblenzer hat auch bei der Staatsanwaltschaft Köln die Beschlagnahme der CDs beantragt. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleiten soll.

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800.000 Euro Preisgeld

Der Schweizer Staat bekommt unterdessen wohl den Zugriff auf rund 800 000 Euro „Preisgeld“, die das Land NRW 2010 an den Datenhändler Wolfgang U. für die Beschaffung der Credit-Suisse-Datei zahlte. Das österreichische Landesgericht Feldkirch gab einem Antrag der Schweiz statt und erklärte die Beschlagnahme für rechtens. Anspruch hatten auch die Erben U.’s erhoben, der sich in der Berner Haft selbst getötet hatte.