Gaza/Jerusalem. Die radikalislamische Hamas hat Raketen auf Jerusalem abgefeuert. In der israelischen Hauptstadt wurde deswegen Luftalarm ausgelöst. Damit erreicht der Konflikt in Nahost eine neue Stufe der Eskalation. Im Westjordanland demonstrierten tausende Palästinenser gegen Israel.

In Jerusalem haben am Freitag die Luftsirenen geheult. Eine Rakete, die Hamas-Kämpfer abgefeuert hatten, schlug nach Angaben der israelischen Armee auf unbewohntem Gelände ein. Verletzt wurde demzufolge niemand.

Bereits am Mittag war in Tel Aviv Luftalarm ausgelöst worden. Die Polizei teilte mit, dass eine Rakete ins Meer einschlug. Zwischen Israel und den Palästinensern eskaliert die Gewalt seit drei Tagen: Die radikalislamische Hamas beschießt israelisches Gebiet mit Raketen, Israel reagiert mit Luftangriffen.

Im Westjordanland gingen unterdessen tausende Palästinenser aus Protest gegen die israelische Offensive im Gazastreifen auf die Straße. In Ramallah und Nablus sich tausende Demonstranten und riefen Parolen wie "Hamas, bombardiert Tel Aviv!". Wütende Menschen verbrannten die israelische Flagge und riefen "Tod Israel".

Israelische Armee beruft 16.000 Reservisten ein

Bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen starben nach palästinensischen Angaben am Freitag bis zum Mittag drei Palästinenser. Israel geht seit Mittwoch mit massiven Luftangriffen gegen Raketenstellungen radikaler Palästinenser im Gazastreifen vor. Dabei wurden mehr als 20 Palästinenser getötet. Der Süden Israels wurde in den vergangenen Tagen von hunderten Geschossen getroffen, drei Israelis starben. Inzwischen schließt Israel auch eine Bodenoffensive nicht mehr aus. Am Freitag begann die Armee mit der Einberufung von 16.000 Reservisten.

Die Vereinten Nationen verurteilten sowohl die israelischen Luftangriffe als auch den Raketenbeschuss Israels durch die Hamas. Ein Sprecher der UN-Menschenrechtsbeauftragten Navi Pillay rief am Freitag in Genf beide Seiten zur Mäßigung auf und verwies auf das Leid der Zivilbevölkerung.

Die Hoffnung auf eine vorübergehende Feuerpause am Freitag hatte nur kurz gewährt: Während des Besuchs des ägyptischen Ministerpräsidenten Hescham Kandil im Gazastreifen schoss die radikalislamische Hamas innerhalb von zwei Stunden mehr als 50 Raketen auf Israel ab und traf Häuser im südisraelischen Aschkelon. Die israelische Armee reagierte mit Luftangriffen, bei denen zwei Palästinenser getötet wurden. Ungewohnt deutlich verurteilte die deutsche Politik die Hamas-Aggression.

Merkel macht Hamas für Eskalation verantwortlich

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte die Hamas für die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten verantwortlich. Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte am Freitag in Berlin, es gebe keinerlei Rechtfertigung für den Abschuss von Raketen, unter denen die Zivilbevölkerung in Israel leide. Der Beschuss Israels müsse sofort eingestellt werden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte diese Position bereits am Freitagmorgen vertreten und Verständnis für die militärische Reaktion Israels auf die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen geäußert. Hamas sei eine Terrororganisation, "die mit durch nichts zu rechtfertigenden Angriffen diese Eskalation bewirkt hat", sagte er. Israel habe "das Recht, sich zu verteidigen und hat auch das Recht, seine Bürger zu schützen".

Vor der geplanten Kampfpause hatte Israel seine Angriffe auf Raketenlager und Abschussrampen der Hamas fortgesetzt, nach Armeeangaben mit allein 250 Einsätzen in der Nacht zu Freitag.

Israel stationiert Panzer und Truppentransporter im Grenzgebiet 

Wie die "Jerusalem Post" berichtete, begrüßte der Ministerpräsident der Hamas, Ismail Hanijeh, der sich seit der gezielten Tötung des Hamas-Militärführers Ahmed Dschabari versteckt gehalten hatte, den Gast aus Ägypten öffentlich und nannte dessen Besuch ein "Signal an die Besatzer". Gemeinsam hätten sie ein Krankenhaus in Gaza besucht. Ministerpräsident Kandil habe die israelischen Angriffe verurteilt und angekündigt, dass Kairo sich um die Vermittlung eines Waffenstillstandes bemühen werde. "Ägypten wird keine Mühen scheuen, um die Aggression zu stoppen und einen Waffenstillstand zu erreichen". Die Hamas ist der palästinensische Ableger der in Ägypten regierenden Muslimbruderschaft.

Doch die Regierung von Benjamin Netanjahu machte am Freitag deutlich, dass sie bereit ist, die Operationen auch zu einer Bodenoffensive auszuweiten.

Invasion in Gazastreifen laut Meiden für Freitag geplant

Einen etwaigen Einmarsch in den Gazastreifen bereitete Israel auch durch die Stationierung von Panzern und Truppentransportern im Grenzgebiet am Donnerstagabend vor. Zudem wurden zahlreiche Soldaten mit Bussen in die Region gebracht. Israelische Fernsehsender berichteten, die Invasion sei für Freitag geplant. Die Streitkräfte dementierten und erklärten, bislang sei noch keine Entscheidung über einen Einmarsch in den Gazastreifen gefallen.

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Mit dem Ziel, die fortdauernden Raketen- und Mörserattacken von Hamas und anderen militanten Islamisten aus dem Gazastreifen zu stoppen, beschießt Israel seit Mittwoch Stellungen der Hamas im Gazastreifen. "Wir werden die Angriffe fortsetzen und ausweiten", kündigte Generalstabschef Benny Gantz an. "Ich glaube, wir können unsere Ziele erreichen." Netanjahu drohte mit einer "signifikanten Ausweitung" des Militäreinsatzes. Israel werde alles Nötige tun, um sich zu verteidigen, sagte der Regierungschef. Bislang kamen bei den Kämpfen mindestens 19 Palästinenser und drei Israelis ums Leben.

Hamas hat Auslöschung Israels zum Ziel

Die israelischen Sicherheitskräfte gehen davon aus, dass die Hamas seit der letzten israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen vor vier Jahren massiv aufgerüstet hat und über etwa 12.000 Raketen verfügt. "Innerhalb von vier Jahren sind wir stärker geworden, wir verfügen über eine Strategie und haben uns mit allen militanten Kräften im Gazastreifen zusammen getan", sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum. Die Hamas verfolgt gemäß ihrer Charta das Ziel, den Staat Israel auszulöschen. (afp/dapd)