Jerusalem. . Israel schlägt im Gaza-Streifen zurück und hat militanten Palästinensergruppen zugleich mit einer großangelegten Militäroffensive gedroht. Ministerpräsident Netanjahu sagte am Donnerstag, dass er alles Notwendige tun werde, um sein Volk vor Angriffen zu schützen. Der Konflikt im Nahen Osten droht zu eskalieren.
Rund eine Million Israelis saßen am Donnerstag in Bunkern oder flüchteten sich in den Norden des Landes, während palästinensische Raketen auf ihre Städte niedergingen.
Gleichzeitig suchten die etwa 1,5 Millionen Bewohner des Gazastreifens vor mehr als 100 israelischen Luftangriffen Deckung. Mindestens 18 Menschen kamen ums Leben, drei auf israelischer, 15 auf palästinensischer Seite. Ein Ende der Operation „Säule der Verteidigung“ ist nicht in Sicht.
Die israelische Seite
Seev Mor kann nicht glauben, dass der Krieg in seine Heimatstadt gekommen ist. Bisher wähnte der Lehrer (23) sich im Städtchen Kiryat Malachi, 30 Kilometer nördlich vom Gazastreifen, in Sicherheit. Bis Donnerstagmorgen eine Rakete der radikal-islamischen Hamas in der obersten Etage des vierstöckigen Hauses direkt nebenan einschlug, drei Nachbarn tötete und mehrere andere verletzte.
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„Nach der Explosion liefen wir alle aus dem Bunker raus, ich fand ein blutendes Mädchen und rief einen Krankenwagen“, berichtet Mor unserer Zeitung. Auf israelischer Seite waren es die ersten Todesopfer der Operation „Säule der Verteidigung“, mit der Premier Netanjahu die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen abschrecken und dem Süden des Landes nach Jahren andauernden Raketenbeschusses wieder Ruhe bescheren will. Die Hamas wird international als Terrororganisation boykottiert.
Die palästinensische Seite
Auch in Gaza herrschte Panik. Menschen tätigten in aller Eile Hamsterkäufe und suchten Schutz vor zig israelischen Luftangriffen, die laut Angaben der Armee vor allem der militärischen Infrastruktur der Hamas galten. Aber anders als in Israel gibt es in Gaza kaum Schutzräume für die Zivilbevölkerung. Auch deshalb gab es zahlreiche Tote, unter ihnen zwei Kleinkinder, und mehr als 150 Verletzte.
Am Morgen kamen Tausende Menschen zusammen, um dem am Vortag getöteten Hamas-Militärchef Dschabari zu beerdigen. Die Hamas wertete die Tötung als Kriegserklärung und kündige „Schwarze Tage“, Rache, an.
Die Vorgeschichte
Seit Jahren nahm Israel den gelegentlichen Beschuss seiner Ortschaften im Süden am Rande des Gazastreifens hin. Doch in den vergangenen Wochen stieg die Zahl der Raketen und Granaten aus Gaza stark an. Mehr als 1000 Geschosse gingen seit Jahresbeginn auf Israel nieder. Hinzu kamen zunehmend gewagte Grenzverletzungen durch palästinensische Terrororganisationen.
Israels Verteidigungsminister Barak sagte: „Wir wollen keinen Krieg. Aber die andauernden Provokationen der Hamas, besonders der stete Beschuss israelischer Ortschaften mit Raketen, ein Sprengstofftunnel, der tief in israelischem Staatsgebiet explodierte, die Panzerfaust, die auf eine Grenzpatrouille abgeschossen wurde, zwangen uns zum Handeln.“ Ziel der Aktion sei es deswegen „unsere Abschreckung wieder herzustellen und der Fähigkeit, Raketen abzuschießen, Schaden zuzufügen.“
Die Offensive
Hamas-Militärchef Dschabari stand auf der Feindes-Liste der Israelis weit oben und unter Beobachtung des Geheimdienstes. Zudem lieferten israelische Überwachungsdronen ein genaues Bewegungsprofil. Dschabari wurde mitten in Gazastadt in seinem Auto von einer Rakete getroffen. Er soll persönlich für verheerende Attentate verantwortlich gewesen sein und war die treibende Kraft hinter der Reorganisation der al Kassam Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas. Unter seiner Führung wandelten sie sich von einer Ansammlung von Terrorzellen in eine geordnete Streitkraft von rund 10 000 Mann.
Seine gezielte Tötung war Mittwoch Auftakt der Operation „Säule der Verteidigung“. Bis Donnerstagmittag flog Israels Luftwaffe mehr als 160 Einsätze, laut eigenen Angaben hauptsächlich gegen Waffenfabriken und Raketendepots. Auch die Hamas hielt den schweren Beschuss Israels aufrecht. Dass sich die Lage beruhigt, ist unwahrscheinlich. „Das ist erst der Anfang“, hieß es aus Israels Regierung.