Gaza-Stadt. Bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen ist am Mittwoch der Führer des militärischen Hamas-Flügels getötet worden. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, die Aktion sei zugleich der Beginn einer Operation gegen militante Gruppen im Gazastreifen. Israel reagiert damit auf den erheblich zugenommenen Beschuss südlicher Grenzorte aus dem Gazastreifen.
Die israelische Luftwaffe hat am Mittwoch bei einem Angriff im Gazastreifen nach palästinensischen Angaben den Militärchef der radikalen Palästinenserorganisation Hamas getötet. Das Auto von Ahmed al-Dschaabari sei in Gaza bombardiert worden, teilten palästinensische Ärzte mit. Wie die israelische Armee mitteilte, markierte der Angriff auf den Militärchef den Beginn eines Einsatzes gegen bewaffnete Gruppen im Gazastreifen.
"Der Märtyrer ist Ahmed al-Dschaabari", sagte der Arzt des Schifa-Krankenhauses in Gaza, Aiman Sahabani. Der Tod wurde von anonymen Sicherheitskreisen der Hamas bestätigt. Der Leibwächter des Militärchefs wurde bei dem Angriff verletzt und erlag nach Krankenhausangaben später seinen Verletzungen.
Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Beth erklärte, der Militärchef sei bei einem Angriff getroffen worden. Er sei ein ranghoher Hamas-Funktionär gewesen und "direkt verantwortlich für die Ausführung von Terrorangriffen". Eine israelische Militärsprecherin verkündete über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter den Beginn eines "Einsatzes gegen Terrororganisationen" in Gaza. Anlass seien die wiederholten Angriffe auf israelische Zivilisten.
Anhänger der Hamas verlangen Rache
Ziel des Einsatzes sei es, "die Kommando- und Kontrollkette der Hamas-Führung und ihrer terroristischen Infrastruktur ernsthaft zu beeinträchtigen", erklärte Militärsprecherin Avital Leibovitsch. Der Einsatz ziele auf bewaffnete Gruppen ab, nachdem der Süden Israels zuletzt Ziel zahlreicher Raketenangriffe gewesen sei. Nach israelischen Militärangaben wurden bei dem Einsatz Anlagen für Langstreckenraketen der Hamas getroffen. "Falls notwendig", sei Israel auch zu einer Bodenoffensive bereit.
In dem Krankenhaus in Gaza protestierten nach der Tötung al-Dschaabaris am Mittwoch Anhänger der Hamas und ihres bewaffneten Arms, der Essedin-al-Kassam-Brigaden, und verlangten Rache. Vor dem Krankenhaus feuerten Männer Schüsse in die Luft ab. In den Moscheen wurde zu Gebeten für den getöteten Kommandeur aufgerufen.
Palästinenser-Gruppe droht mit massivem Gegenschlag
Die Essedin-al-Kassam-Brigaden erklärten, mit der Tötung al-Dschaabaris habe Israel "das Tor zur Hölle geöffnet". Der Hamas-Zweig werde auch weiterhin "den Weg des Widerstands" verfolgen, kündigte die Gruppe an und drohte mit einem massiven Gegenschlag. Hamas-Regierungssprecher Taher al-Nunu sagte AFP, Israel trage "die Verantwortung für seine Verbrechen und für ihre schweren Konsequenzen". Die internationale Gemeinschaft rief er auf, "das Massaker an unserer Bevölkerung zu beenden, die ein Recht hat, sich zu verteidigen".
Laut palästinensischen Sicherheitskreisen und Ärzten gab es am Mittwochnachmittag insgesamt vier israelische Luftangriffe im Gazastreifen. Zwei hätten die Stadt Gaza getroffen, bei einem davon sei al-Dschaabari getötet worden. Ein weiterer Luftangriff traf demnach den Norden des Gazastreifens, der vierte die südliche Stadt Chan Junis. Die radikalislamische Hamas kontrolliert den Gazastreifen seit 2007.
Die USA erklärten, die Entwicklung der Situation im Gazastreifen "genau zu beobachten". "Wir sind soldarisch mit unserem israelischen Partner in seinem Recht, sich selbst zu verteidigen", sagte Pentagon-Sprecher Stephen Warren AFP. Auch ein ranghoher US-Verteidigungsbeamter betonte, die USA respektierten "das Recht Israels zur legitimen Verteidigung".
Israel warnt Palästinenser vor Antrag zur Anerkennung als Staat
Unterdessen hat Israel eine diplomatische Offensive zur Verhinderung einer Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates durch die UN gestartet. Die Palästinenser haben angekündigt, einen solchen Antrag am 29. November auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen stellen zu wollen. Israel würde das als Verstoß gegen das Friedensabkommen von Oslo betrachten, erklärte am Mittwoch der stellvertretende israelische Ministerpräsident Mosche Jaalon im Armeerundfunk. Er warnte, die Palästinenser würden einen hohen Preis für einen solchen Antrag zahlen.
Andere israelische Vertreter hatten auch schon gedroht, das Anfang der 90er Jahre erzielte Abkommen werde für nichtig erklärt. Aus einem Dokument des israelischen Außenministeriums, das der Nachrichtenagentur AP vorlag, geht hervor, dass die Diplomaten des Landes angewiesen wurden, andere Regierungen vor einer Zustimmung zum Antrag der Palästinenser zu warnen. Wenn der bisherige Beobachterstatus der Palästinenser bei den Vereinten Nationen aufgewertet werde, wäre dies ein Grund, das Abkommen von Oslo für nichtig zu erklären, heißt es darin. Auch einseitige israelische Schritte seien möglich.
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat angekündigt, dass er wegen des jahrelangen Stillstands in den Friedensverhandlungen mit Israel am 29. November vor die UN-Vollversammlung treten will. Israel und die USA warnten, eine Unabhängigkeit sei für die Palästinenser nur in Verhandlungen mit Israel möglich.
Im Abkommen von Oslo hatte Israel 1993 einer weitgehenden Selbstverwaltung der Palästinenser zugestimmt. Alle Streitfragen sollten in Verhandlungen geklärt werden, hieß es darin auch. (dapd/afp)