Damaskus/Beirut. Die Waffenruhe in Syrien hat auch am zweiten Tag des Opferfestes nicht gehalten. Am Samstag hätten die Streitkräfte von Präsident Assad Wohngebiete beschossen, sagten Aufständische. Die syrische Armee erklärte, sie habe lediglich auf Angriffe von Aufständischen reagiert.

Der Versuch, über die Feiertage des islamischen Opferfestes die Waffen in Syrien schweigen zu lassen, ist gescheitert. Nachdem es bereits am Freitag, dem ersten Tag der Waffenruhe, nach Angaben von Aktivisten mehr als 100 Tote gab, gingen die Kämpfe auch am Samstag weiter.

Der Chef der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdul-Rahman, sagte, die Vereinbarungen zur Kampfpause seien am Freitag bereits nach drei Stunden gebrochen worden. Am Samstagnachmittag meldete die Beobachtungsstelle zudem den ersten Angriff syrischer Kampfflugzeuge seit Beginn der Feuerpause. Bei dem Angriff auf einen Vorort von Damaskus seien acht Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden, hieß es.

Autobombe vor Kirche explodiert

Die Londoner Gruppe und Aktivisten vor Ort berichteten zudem von Artillerieangriffen der Regierung auf Stellungen der Rebellen und Kämpfen in verschiedenen Landesteilen. Angriffe und Gefechte gebe es besonders in der nördlichen Provinz Aleppo und im Osten bei Deir el Sur. Aber auch in der Hauptstadt Damaskus und der Stadt Daraa im Süden, in denen es am Freitag Anschläge mit Autobomben gegeben hatte, gingen die Kämpfe weiter.

Das syrische Staatsfernsehen berichtete, dass die Rebellen in der schon lange umkämpften Stadt Deir el Sur eine Autobombe vor einer syrisch-orthodoxen Kirche gezündet hätten. Nach unbestätigten Behördenangaben sei die Kirche beschädigt worden, es habe aber keine Toten gegeben. Besorgniserregende Nachrichten gab es auch wieder aus der Stadt Aleppo. Am Donnerstag hatten Rebellen triumphierend gemeldet, sie wären erstmals in das von Kurden und Christen bewohnte Stadtviertel Aschrafie vorgedrungen. Damit verletzten sie jedoch laut dem Vorsitzenden der Kurdischen Jekiti Partei, Mohieddine Scheich Ali, eine Vereinbarung. Diese sah vor, die Viertel der kurdischen Minderheit nicht in die Kämpfe einzubeziehen.

Schwere Kämpfe zwischen Rebellengruppen und Kurden

In der Folge kam es in der Nacht von Freitag zu Samstag über Stunden zu schweren Kämpfen zwischen Rebellengruppen und Kurden. Nach Angaben der Beobachtungsstelle starben dabei mindestens 19 Rebellen, Kurden berichteten von zehn Gefallenen auf ihrer Seite. Die Angaben ließen sich jedoch nicht von unabhängiger Seite überprüfen. Scheic Ali berichtete der Nachrichtenagentur AP weiter, dass mehr als 100.000 Kurden in dem Viertel lebten und viele im nahegelegenen Stadtteil Scheich Maksud. Zudem seien viele arabische Bewohner Aleppos aus den umkämpften Gebieten in diese bislang sichereren Viertel geflohen.

Auch interessant

"Streitigkeiten zwischen unseren Brüdern in der Freien Syrischen Armee und den Kurdischen Volksverteidigungseinheiten", hätten zu den Kämpfen geführt, sagte Scheich Ali. Nach Angaben der Beobachtungsstelle kam es seither zu zahlreichen Entführungen zwischen den Gruppen.

Kurden beklagen Diskriminierung

Bislang versuchten die Kurden in Syrien großteils einen Mittelweg zwischen den Rebellen und dem Regime zu verfolgen. Einige Gruppen waren neutral, andere bezogen Stellung. Die Kurden bilden mit 10 bis 15 Prozent der 23 Millionen Einwohner die größte Minderheit im Land. Die meisten leben in einer nordöstlichen Provinz nahe der Grenze zur Türkei, aber es gibt auch große kurdisch dominierte Viertel in Aleppo und Damaskus. Die zuvor oft marginalisierte Volksgruppe wurde seit Beginn des Konflikts von den Rebellen wie vom Regime umworben.

Die Kurden beklagten lange ihre Diskriminierung. Das Assad-Regime verweigerte ihnen die Anerkennung als Syrer und erklärte, sie seien nur Flüchtlinge aus der Türkei oder dem Irak. Kurz nach Beginn des Aufstandes bürgerte Assad dann 200.000 Kurden ein. Zudem vermied das Militär den Einsatz tödlicher Gewalt bei Protesten von Kurden.

Bereits mehr als 35.000 Tote

Aber auch eine etwaige neue Herrschaft der überwiegend sunnitischen Rebellen wird von viele Kurden skeptisch gesehen. Die größte Oppositionsgruppe im Exil, der Syrische Nationalrat, wählte wohl auch deswegen mit Abdelbaset Sieda einen Kurden an die Spitze. Die Kämpfer der kurdischen Partei der Demokratischen Union PYD sichern weite Teile des Nordostens. Sie ist mit der PKK verbunden, die für ein unabhängiges Kurdistan in der Türkei kämpft.

Zuvor war erhofft worden, die Waffenruhe während der höchsten islamischen Feiertage könnte ein Schritt zur Beendigung des Konfliktes sein. Der seit 19 Monaten dauernde Bürgerkrieg hat nach Zählung der Aktivisten bereits mehr als 35.000 Todesopfer gefordert, zudem sollen Zehntausende verschleppt worden sein. (dapd/rtr)